back 2 enlightenment

5. Traumtage

Die Überschrift gibt ein Poona-Gefühl wieder, wenn Du gut drauf bist und Dich tief entspannen kannst. Das Apartment hat heute eine von innen und außen zu verriegelnde Tür erhalten. Die Lectures sind von ins Herz, ins Gemüt schneidender Dichte. Der Weg zum Ashram über zwei verkehrsarme Straßen dauert fünf Minuten - tropischer Genuss. Baumriesen lassen ihre Luftwurzeln baumeln. Nachts denkst Du, Affen in den Ästen kreischen zu hören. Doch wer kennt in Deutschland schon Affengekreisch? Selbst nach sechs Indienfahrten in den letzten 20 Jahren weiß der Chronist, dass er nichts weiß - immerhin eine solide Erkenntnisgrundlage.

Der in Europa mit Mühe Unterhalt, Wohnung, Auto und Steuern Zahlende spielt im Indienurlaub den reichen Mann. Das Mittagsmahl im Lokal Prems kostet etwa drei Mark: Suppe, ein Topf Tee, Hauptgericht und Nachtisch. Während der brüllenden 30 Grad Mittagshitze ziehst Du Dich besser in Deine Höhle zurück. Nimmst Du dazu eine Flasche Mango-Saft und zwei Kuchenteilchen mit, belastet das die Reisekasse wieder - mit 80 Pfennigen.

Wer will und kann, nimmt sich vielleicht seine Freundin, seinen Freund mit in seine Mittagsträume. Dafür braucht jedenfalls niemand nach Bangkok zu düsen. Tatsache über den Träumen ist jedenfalls, dass die Menschen im Ashram auf Aids-Freiheit getestet sind. Und alle drei Monate musst Du Deinen Test erneuern lassen. Wenn durch die Mittagspause nur nicht so der Presslufthammer bellen würde, wäre der Tagtraum vom Paradies ruhiger. Wie hörst Du unseren unvergesslichen Freund heut morgen sprechen: "Paradies, we create here and know." Die Geschichte schreibt das Leben, so ist die Geschichte. Wortwälzer, Schriftstelzer nennen das Glück. Die Mini-Maschine, ein 300 Gramm schwerer PSION-Palmtop, lässt Dich die Schrift an Ort und Stelle druckfertig machen.

Glück und Horror liegen einen Gedankensprung nebeneinander. Wenn der Mittagschlaf Dich zurück schickt in seine Preßlufthammer-Wirklichkeit, in diese Aufbau-Phase von Poona, wenn Du Dich noch schlaftrunken in den Verkehr wirfst, wenn Dich der blutend-verkrustete Rattenkadaver auf Deinem Weg schreckt, wenn Dir so unheimlich heiß ist, Du an Pest, an Delengue-Fieber denkst, schon trägst Du zentnerschweren Horror.

Ermattet flüchtest Du Dich in den Ashram mit seiner europäischen Reinlichkeit in den heißen, stickigen Poona-Tropen. Du atmest die schattige Luft unter den Bäumen und entspannst wieder. Keine Pest mehr, kein Delengue-Fieber - Du hast Dein Glück wieder gefunden. Diese Ashram-Kantine ist wunderbar für klassische Rajneeshes, Bhagwan-Jünger, die sich kurz im Termindruck zwischen Meditationen und Gruppen zum Erfahrungsaustausch treffen wollen. Weiterhin ist der europäische Sauberkeitsstandard vorbildlich. Seuchen wären das Ende eines Massenbetriebs mit täglich Tausenden von Gästen.

Nachteil der Ashram-Kantinen bleibt ihr Massenandrang. Selbstbedienung ist auch nicht jedermanns Sache, ebenso wenig wie in Schlangen zu stehen. Dafür geht die Futterabfertigung zügig voran. Zudem erscheint das Gedränge der Sannyasins weniger respektvoll als das, was Dich unter Indern erwartet. Denen bist Du irgendwo immer noch Gast, beim Kampf um die Ashram-Esstöpfe bist Du Konkurrent wie im Ausverkauf daheim. Doch das ist maßlos übertrieben.

Selbst der chaotische, hupende und schwarz qualmende Autoverkehr vermeidet fast jeden Kratzer. Gewalt und verkehrstechnische Angriffe beschränken sich eher auf ständiges Hupen, rasantes Beschleunigen und plötzliches Bremsen. Sei allerdings wachsam. Dabei will der Indien-Reisende den Halsabschneider-Hahnenkämpfen seines heimischen Berufs- und Arbeitsleben wenigstens für ein paar Wochen entfliehen.

Traumtage lassen wenig Platz für Wirklichkeit. Wer zu spät kommt, muss weiterhin ohne Wertfach und ohne den roten Multiversity-Pass auskommen. Denn die Öffnungszeiten sind festgeschrieben:
Zimmervermittlung 9.30 bis 12.30
Buchladen 9.15 bis 13.00 und 14.00 bis 15.45
Kleiderladen 9.00 bis 13.00 und 13.00 bis 16.00
Kiosk 9.00 bis 14.00
Wertfächer 9.30 bis 12.15 und 13.45 bis 14.45
Sonntags nachmittag geschlossen
Schließfächer 13.30 bis 14.30 und 15.30 bis 16.30
Restaurants 7.00 bis 9.30 und 12.30 bis 14.00
16.15 bis 17.30 und nach Discourse
Osho Multiversity 9.15 bis 12.30
Osho Plaza 9.30 bis 12.30 und 14.00 bis 15.30
Empfang 7.00 bis 16.30

 

Europäische Sannyasins im Poona Filmprojekt

Sannyasin heißt "disciple", heißt Schüler. Wort und Inhalt bedeuten Disziplin. Filmarbeit weckt mich morgens, reißt mich früh aus Traumtag und -nacht reißen, aus traumhaft schöner Vollmondnacht. Als Reisender hast Du die Freiheit zu träumen, wenn Dir eins gelungen ist: die morgentliche, regelmäßige und gute Verdauung. Nicht, dass sie anderen Gesetzen als daheim unterläge, nur ist die Entsorgung anders.

Dass Du dich auf die Toiletten hockst, magst Du von Südeuropa gewöhnt sein. Papier zum Säubern ist unhygienisch und absoluter Luxus. Die Rolle kostet 35 Rps., womit manche eine Woche, wenn nicht einen Monat haushalten müssen.

Wenn Dir, als reichem Tourist, das auch gleichgültig bleibt, musst Du doch eins bedenken: Die Abflussrohre der Toilette sind so eng wie Gartenschläuche. Papier verstopft sie sofort. Also stehen neben den Toiletten Plastikeimer, in die Du gebrauchtes Papier oder Tampons wirfst. Wohl kaum ein Inder säubert sich mit Papier. Neben den Toiletten sind Wasserhähne. Darunter steht ein kleiner Plastikbecher. Den füllst Du also mit Wasser. Die Hand mit Wasser: So säuberst Du Dich.

Luxuriöse Schüsseln wie im Ashram verfügen im Sitz gleich über ein Wasserrohr. Du spritzt Dich gleich sitzend sauber. Papier kann Dich dann noch abtrocknen. Nach dergestalt - schweißtreibender - aber glücklicher Verrichtung hast Du in Indien Zeit zu träumen. Du kannst Dich in Vipassna finden, oder nach Dir oder andern im Internet suchen:

 

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Poona-Film, im Hintergrund Swami Prem Abinashi ("noble love")

6. Disciple