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8. Samadhi

Zweifel befallen Pilger an allen Orten. Wenn Du kein Glück findest, solltest Du weiter wandern. Besuche die religiösen Stätten und beobachte Deine Urteile: Altötting, wo Du Votivtafel aus vielen Jahrzehnten bestaunst, Lourdes, wo Dich schon ein Chor verkrüppelter Nonnen mit frohen Gesängen empfängt, Rom, wo sich Touristenmassen stauen, um Kunstschätze der Zeiten und Kontinente zu bestaunen, das persische Meschad an der afghanischen Grenze, wo sich Pilger im Schneetreiben mit Eisenketten die nackte Haut in Fetzen schlagen, Salt Lake City, wo Du die Statue des Mormonenhäuptlings in seiner Erweckung in bunten Neon-Farben bewunderst und dann setzt Du Dich in den Samadhi-Raum im Ashram in Poona.

Poona: Blick von der Verbrennungsstätte

1981 konntest Du noch in Poona I für ein paar Mark den Samadhi-Tank buchen. Du lagst in Körperwarmer Salzlake, die Dich schwimmen ließ in einer grabähnlichen Wanne. Wenn sich der Deckel dieser Wanne schloss, konntest Du in Deinem Sud liegend gleichsam wie im Mutterleib entspannen.

"Entspanne, relax",

einfacher gesagt als getan. Du siehst Deine kleinlichen Zweifel, Deine kleinmütigen Vorurteile, nur was Du nicht siehst, das bist Du selbst.

Du denkst, schreibst und redest darüber, was Dich ärgert, die strenge Ashram-Bürokratie, die Preise, der indische Krach, Dreck und Staub. Über Dich schweigst Du still, wohl besser so.

Oshos Samadhi ist die Perle des Ashrams. Du zahlst eine Mark. Du meditierst dort eine stille Stunde.
Den Marmor darfst Du nur mit sauberen, weißen Socken betreten. Deine Hände sollen ihn nicht berühren. Du trägst die rote Robe, musst Dich allerdings für die winterlich, kalte Kühltemperatur von 18 Grad warm anziehen.

Die Kälte zieht Dir umso mehr in die Glieder, als Du dort eine Stunde sitzt, ohne Dich zu rühren. Wenn das Dein pausenlos plappernder Verstand Deinem Körper erlaubt, bist Du kein Kind mehr.

Du lässt, wie bei allen Meditationen oder auch Moscheen, Deine Schuhe draußen im Regal. Merke Dir gut, wo Du sie hingestellt hast. In der Meditation vergisst Du die Welt, Dich und Deine Schuh.

Du sitzt in der Eingangshalle, um Dir die Socken anzuziehen. Vor Dir steht ein goldener Rolls Royce mit Überlänge.

Auf weißen Socken schlenderst Du an Bhagwans eindrucksvollen Bibliothek in Glasvitrinen entlang.

Der nächste, größere Raum ist wie schon die Eingangshalle voll verspiegelt. Ein Zahnarztstuhl füllt diesen Raum aus.

Bhagwan  hörst Du diesen bequemen Stuhl loben.

Dann betrittst Du den Marmorpalast Samadhi-Raum. Kristallleuchter werfen ihr glitzerndes Licht in die verspiegelte Runde. Gewaltige Glasfronten vom Boden bis zur Decke geben den Blick auf einen Wasserfall frei. Draußen im Grünen rauscht dies Wasser unentwegt über die braunen Felssteine, um sich in einem Bach zu verlieren.

Du nimmst ein Kissen. Setzt Dich mit gekreuzten Beinen, schließt die Augen.

 

Straßenarbeiter vor dem Fenster in Mit Olympus

Dein Leben, Deine Urteile, Dein eigenes Selbst rollt als lebendiger Film in Deinem inneren Kino ab. Lass es laufen, Du kannst es nicht anhalten.

Mit Glück erwischt Du eine Pause zwischen zwei Gedanken, zwischen dem Ende des einen und dem Anfang des nächsten inneren Films.

Diese Pause könnte Meditation, könnte Glück sein, könnte Bhagwans Lebensgefühl nahe kommen, wenn Worte dies beschreiben könnten. Sie können es nicht.

Du verlässt diesen Raum, noch zitternd vor Glück. Nichts ist mehr wie zuvor. Du siehst in die Gesichter vorbei eilender Buddhas in roten Roben - oder auch schwarzen - und wirfst küssendes Lächeln in glückliche Augen oder nickst ermutigend Mundwinkel verkniffener Bitternis zu.

Gleichgültig, alle sind wir auf dem Weg.

Du isst im feierlichen Restaurant. Meditierend hältst Du Dein köstliches, sauberes Mittagsmahl auf dem Tablett. Du sonnst Dich in der Schlange der Menschen. Es ist nicht teuer, nur gut, schmackhaft und sauber.

Es wird zuviel des Glücks. Du ziehst Dich durch 30 Grad warme Mittagssonne zur Ruhe in Deine schattige Höhle zurück. Glück in dem Ausmaß ist Dir fremd. Ergib Dich deinem stillen Staunen.

9. Kraftverschwendung