back 2 "enlightenment" (II)
Es muss nicht immer Samadhi sein. Wenn Samadhi nicht sein muss, lässt mich die Existenz um einen winzigen Augenblick dort am Grab zu spät kommen, um mir einen anderen Platz zu zeigen: Den Swimmingpool.
Der Weg schlängelt sich hinter dem Restaurant an Cafe und Tennisplatz zur Kasse. Drei Mark Eintritt bedeuten für arme Inder eine astronomische Summe von 70 Rupees. Dafür bekomm ich in der MG-Road zwei paar Socken oder zwei Boxershorts oder eine neue Sicherungsbatterie für meinen PSION-Palmtop. Daheim werde ich wieder 250 Rupees dafür zahlen, 10 Mark.
Die Ärmsten quälen sich um eine Bettelschale Reis am Tag. Wert: 2 Rupees. Die Bäume haben Blüten, groß wie Tulpen, ins Wasser geworfen. Die treibt der Wind. Das salzige Wasser mich. Meterhohe Palmwedeln tanzen im Wind, meterweit spannen Tropenvögel mächtige Schwingen im blauen Firmament auf. Bhagwans Bild im Norden, der rote Rettungsring im Westen und eben groß hängt ein Gong im Süden. Obwohl mindestens zwei, dreitausend Menschen abends zur WRB die Buddha-Halle bevölkern, sind im Bad kaum mehr Menschen als im Samadhi. Die Ashram-Preisliste: Samadhi
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Shivaprasad: "Mein Rupee für die Alte" (German Bakery) |
Dass Bhagwans Umwertung aller Werte ihm Feinde schafft, ist gleichsam naturgesetzlich. Genauso machst Du Dir mit feindlichen Gedanken Feinde im Ashram. Gedanken siehst Du auf den Gesichtern. Es gehört zum Job der Therapeuten. Und es ist auch nicht besonders schwer.
Zwar hörst Du es wieder und wieder, Deine Wertung zu lassen, zumindest für Dich zu behalten. Doch wer dies liest, wertet gleich wieder:
Samadhi war solange das größte Erlebnis hier im Ashram, wie Du noch nicht im Pool hast liegen können.
Der Platz ist paradiesisch. Du gehst nach dem Schwimmen zum Schließfach, schmeißt Dir die rote Robe über, schlurfst in die Schlappen und 50 Meter weiter zum Restaurant. Du isst ohne Risiko, was Du vom Gemüse im Restaurant nicht weiß. Indischer Dreck stinkt wie die Pest - überall, auch in den Küchen. Oft kommt braunes Wasser aus der Leitung.
Mager: Menschen und Pferde (Lucknow 1993) |
Allerdings musst Du Dich entscheiden. Ist Dir die Suche nach Wahrheit wichtiger oder Urlaub im Paradies, im Club Meditation? Zahlende Urlauber sind gern gesehen. Suchende müssen mit Folgen rechnen, hier im Ashram wie überall. Wer will Wahrheit? Ob die Priesterschaft von Poona II ihre Verantwortung am kriminell faschistischen Scheitern von Rajneeshpuram aufgearbeitet hat? Die "Pinguine", wie Therapeuten in ihren schwarzen Roben heißen, sehen meist traurig aus. Ob das der Job mit sich bringt? Feindliche Sätze erzeugen feindliche Reaktionen. Du vermeidest sie besser. Dein Glück bewegt sich auf dünnem Eis. Gefährlicher als Bakterien bist Du Dir selbst. Elefanten ziehen sich zum Sterben ins Dickicht zurück. Du versuchst Deine Verletzungen im Park hinter dem Back Gate zu heilen. Du nimmst Meditation als Medizin. Heile Dich heilig, sei ganz und gesund. Bhagwan-BlaBla! |
Risiko ist immer, jeder Reisende wagt es. Jede Lebensreise endet tödlich. Zwei Essen waren gefährlich: Die Gemüsebeilage zu den Frühlingsrollen im Restaurant bei der ABC-Farm. Das vegetarische Brot mit Gurken, Tomaten und Zwiebeln im Straßenrestaurant Tandoor10 neben Prems.
Diese mit indischem Wasser gesäuberten Speisen lässt Du besser liegen. Der Pfennigpreis für die Mahlzeit macht sich nicht bezahlt, wenn Dein Magen-Darm-Trakt aus dem Takt gerät. Auf der Toilette entscheidet sich der Erfolg Deiner Reise.
Sie suchen Tänzer für eine Aufführung. 10 Tage lang sollst Du morgens von 10.00 bis 13.30, nachmittags von 16.00 bis 18.00 Uhr trainieren. Es melden sich 24. Swami Deva Bhavito braucht acht. Es sind nur zwei Männer dabei.
Wir tanzen einen buckligen Bären, zwei Schritt vor, einen zurück, der sich dann zur Rasewut aufbäumt. Dann fällt das Urtier zurück in seine tappige Zurückgezogenheit. Wir tanzen Leidenschaft. Die rothaarige Lilith neben mir, ist wieder mal eine der atemberaubenden, jungen Schönheiten in voller Blüte. Sie kommt aus Norwegen.
Bei der Silvesterparty steht die kleine Ma Jivan Fulwarei mit mir für Sushi an. Zufällig. Sie lächelt fortwährend, bricht sich schier die Zunge an englischen Vokabeln, sitzt mit mir zum Sushi-Schmaus und fliegt plötzlich auf kleinen Füßen fort:
"Oh, entschuldige mich, ein Freund!"
Daheim, von Swami Satyanandas Geburtstagsfeten, erkennt mich eine andere Frau: Bruna. Sie unterhält mich mit Tanz und Geschichten über die Mitternacht hinaus. Ich begleite Sie bis in ihr Sunderban-Hotel. Ich erinnere mich an den verborgenen Seiteneingang, den ich vor 16 Jahren zuletzt benutzt habe. Alles ist unverändert, wahrscheinlich selbst der Nachtwächter in seinem erdgrauen Umhang mit seinem Bambusstock.
Schwimmen, Tanzen, falsches Liegen haben mir das rechte Schulterarm-Gelenk schmerzhaft verzerrt. Ob ich Indien heute verdaue, kannst ich nur hoffen.
Noch bin ich kein sterbender Elefant im stillen Park hinter dem Back Gate. Ich spiele einen kleinen Jungen, nehme einen Marmorstein vom Boden auf und kritzele auf die steinerne Bank in der Sonne:
FULWAREI
Der Name heißt "Garten der Blumen".
Der verletzte Elefant schleppt sich in die feierliche Samadhi-Meditation. Was wissen wir schon im Westen! Das Wort Samadhi ist uns schon fremd, wie viel fremder der Zustand. Also blubbert der Westverstand seine wertenden Urteile. Der Beifall von Schwachköpfen ist Dir gewiss. Je blöder Dein Urteil, umso besser für die Vorurteile:
Samadhi war solange das größte Erlebnis hier im Ashram, wie Du noch nicht im Pool hast liegen können.
Nun sitzt Du also wieder dort im innersten Heiligtum. Dein Selbst spiegelt sich Dir so klar wie Dein Tun. Die schmerzende Schulter zeigt mir klar den harten Kraulzug, bevor mein Wille den Muskeln sich aufzuwärmen erlaubte. Wofür musste das Ego prahlerisch planschen?
Du schickst einen Strom von Heilung durch den Kreis-Schluß der Arme in Deinem Schoß bis in die pochende Schulter. Du beruhigst Deinen Magen, den Darm. Nach kaum zwei Tagen bist Du wieder fit.
Die arme Ma Anand Sheela schleppt sich in Deine Meditation. Im Alten- und Pflegeheim füttert sie sabbelnde Greise kurz vor dem Tod. Die Sprachregelung, Sannyasins die Mala zu nehmen, um Sie dann als "verstorbene Sannyasin" zu verhöhnen, wird ihr vielleicht in Erinnerung sein, wenn sie einen Pflegefall von ihrer Einkommensliste streichen muss.
Doch Meditation wandelt Bitternis in Mitgefühl zu dem überforderten, armen Frauchen. Ein paar tausend Sannyasins im Tiefschlaf sind von Bhagwans Visionen ebenso überfordert wie andere Menschen. Die Meisten werden es wohl bleiben.
Die neuen Botschafter wie Swami Tyohar, Swami Mikel Anamo oder Swami Samparna werfen nur einen kleinen Strahl von Bhagwans Licht. Wer das Paradies in sich hätte, braucht nichts und niemanden mehr. Bist Du so weit?