back 2 "enlightenment" (II)

21. Verrückt mit Osho

Wer hier reingeht, weiß es schon oder wird es bald wissen: es stimmt etwas nicht mit ihm.

Du bist grundlos froh oder traurig, siehst in faltige, runzlige Sorgengesichter - hast selbst eins. Deine Gedanken gehen auf Traumreisen durch ferne Welten und Zeiten, Du bist überall - nur wo bist Du?

Die junge Dame in Bodhidharmas Tee-Garten gibt Dir Deine beiden Chais, voll bis zum Rand. Du ziehst zitternd ab mit Deinen Schätzen und hörst ihre süße Stimme voller Mitgefühl:
"Willst Du ein Tablett?"

Das Altersheim läßt grüßen, denkst Du, schluffst an einen Platz mit Rückendeckung. Mittags schlürfst Du aus rhombischer Ess-Schale Deine Miso-Suppe wie aus einer Schnabeltasse - denkst Du.

Alle hier sind verrückt und hatten das große Glück, dies einzusehen. Das ist der erste Teil Deiner Lektion.

Der zweite, wichtigere Teil der Lektion, zeigt Dir dann, dass Du damit glücklich werden kannst. In der Tat kannst Du nur so glücklich werden, wie Du bist. Das ist dann schon die größte Änderung, die Du Dir erlaubst: mit Dir selbst, wie Du bist, glücklich zu sein.

Papageien-Paar im Schloßpark von Agraa

Du triffst die Frauen und Mädchen, und staunst, welche Namen sie Dir bedeuten. Das junge Mädchen, was Du in der Disco für ein heranwachsendes Inder-Teeni gehalten hast, entpuppt sich nach der WRB als "Göttliches Bewußsein", Ma Divyam Bali. Von Goa-gebräunt arbeitet die Japanerin im Ashram-Buchladen. Wer im Ashram seine sechs Stunden werkelt, zahlt nur 10 Rps. für den Basho-Pond, der mir fast täglich 70 wert ist.

Eine Italienerin macht Gruppenhelferin bei der Vipassana von Pradeep. Der Name der jungen Frau aus der Lombardai bedeutet "Geschenk des Bewußtseins", auch eine Divyam. Seit '92 ist sie Sannyasin.
"Und Du?"
"Nur 16 Jahre."
"Und was machst Du hier?",
"Nichts",
lüge ich,
"keine Gruppen, keine Arbeit, keine Meditationen,"
"weil Du eben seit 16 Jahren Sannyasin bist",
schmeichelt ihre Folgerung.
Ma Pradeep wertest Du immer noch als die nervtötende Hexe von der Ranch. Sie schmiß mit den Türen wie eine Irre, wenn Du Dich in tiefem Einklang mit Atem und Herzschlagst wähntest.
"Sie schmeißt immer noch mit den Türen",
berichtet die Italienerin.
"Sie hat das mal so erklärt",
erinnerst ich mich an eine Geschichte von Ma Pradeep:
"Einer der berühmtesten Vipassana-Plätze war inmitten eines Marktplatzes. Nur hinter ein paar Strohmatten saßen sie und meditierten. Inmitten des Marktplatzes sollst Du Ruhe lernen."
Na gut, das kannst Du verstehen.

Junge verkauft Schlösser im Straßenladen.

"Du hast also surrenderd",
freut sich die Schöne.
"Ja",
doch Du kannst ihr eine andere Geschichte erzählen:
"Wir saßen nach der Meditation beide im Bus, Pradeep und ich vorn. Sie schnautzt den Fahrer an:"
"Du fährst jetzt los! Los, beeil Dich, ich muß die nächste Meditation leiten!"
Der Busfahrer sitzt seelenruhig hinterm Steuer und antwortet behäbig:
"Der Bus ist noch ganz leer. Ich warte, bis mehr Leute drin sind. Nimm halt ein Taxi, wenn's Dir eilt."
"Hier steht kein Taxi. Los, fahr los!"
Der Fahrer gibt zornig zurück:
"I don't go, just take my name and my number!"
Ungläubig schaut die Italienerin Dich an:
"Ja, und was geschah dann?"
"Nichts. Wir warteten, bis der Bus voll war, dann fuhren wir los."

Doch die alten Stories, dass sie mir die Briefe öffneten, dass meine Briefe im Kölner-Ashram bei meiner damaligen noch Ehefrau Ma Anand Saroja niemals angekommen sind, die Geschichte von der Mala, das alles behälst Du besser für Dich.
Sie sind junge Sannyasin, sie helfen im Ashram, sie sind unglaublich glücklich und fragen ungläubig:
"Hast Du denn Deine Mala wieder bekommen?"
"Ja, nach beinahe zwei Jahren, nachdem die ganze Bande samt Bhagwan erstmal hinter schwedischen Gardinen saß. Da haben sie gemerkt, dass sie auf ihre negativen Leute vielleicht doch nicht verzichten können."
Deine rohe Ausdrucksweise beleidigt ihre zarten, wertvollen, empfindsamen, religiösen Gefühle.
"Ja, warum bist Du denn dann überhaupt wieder hergekommen?"
"Bhagwan ist der größte Meister aller Zeiten, da gibt' s für mich keinen Zweifel dran,"
versuchst Du vergeblich ihre gute Laune zu retten.
Damit kommst Du dann zu Deiner dritten Lektion, der schwierigsten. Fundamentalistische Rajneeshes haben wohl kaum eine Chance, diese Lektion ohne gewaltigen Schock zu begreifen. Der Schock der Ranch-Pleite hat nicht allen gereicht.
Nun, die dritte Lektion: Bhagwan saß eben auch als "Verrückter unter Verrückten". Sicher war er mehr im Einklang mit sich und der Wirklichkeit als Du. Aber das hat ihn nicht davor bewahren können, Dinge und Ereignisse falsch zu sehen, oder falsch einzuschätzen. Aus seinen 9000 Stunden Reden hörst Du heraus, was Du willst.
Bhagwan  ist auch nicht anders als andere. Er spricht wie jeder nach dem Motto: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern."
Dazu war er noch ein kleinlich, eifersüchtiger Meister, der seinen Kollegen im Job keine Schnitte gönnte.
Mohammed war ein männlicher Chauvinist, der den Frauen das Himmelreich versprach, wenn sie sich dem Mann niemals verweigerten - auch nicht auf einem Kamel.
Jesus war ein ungebildeter Dümmling mit 12 weiteren Narren im Schlepp, einer dümmer als der andere, und sowieso alle pleite. Größenwahnsinnig dazu: Gottes Sohn, Gottvater, der heilige Geist vergewaltigt die Jungfrau Maria, am Kreuz kam er kurz zu Sinnen:
"Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?"
Buddha hat den Frauen nicht die gleiche Sannyas-Glückseligkeit gegönnt wie den Männern. Irgendwo war er damit mit sich selbst wohl nicht im Reinen.
Mahavir hat vor 5000 Jahren Schuhe verboten, weil dazu Tiere gefoltert werden mussten. Mahavirs Sannyasin müssen bis heute barfuss gehen, obwohl es heute Plastikschlappen gibt.
Alle haben irgendwelche Vorschriften erlassen. Selbst über ihren Tod hinaus mussten sie ihre Jünger tyrannisieren. Kurz: alles Verbrecher.

1000th Anniversary Celebration 9th February 1981 Shrvanabelagola (Postkarte)

Nur unser lieber Bhagwan predigt in seinem letzten Testament, dass er das niemals machen würde. Und predigt von Sheelas Schönheit, von der ewigen Ranch - wovon auch immer.

Wenn Du laut loslachen würdest bei all dem längst als falsch erwiesenen Unsinn, würden sie Dich lynchen in der heiligen Halle!
Dir kann das alles gleichgültig sein, weil Du in jeder Gesellschaft Dich zu verstellen gelernt hast. Und deswegen gehst Du Deinem 49. Jahr leidlich in Frieden entgegen.
Unter Sannyasin spielst Du Oshos Neo-Sannyas in rot, in weiß und vergiss nicht:
"Huste nicht!"
Anpassung heißt, sich so zu dosieren, dass Du geduldet bleibst.
Du könntest stundenlang durch den Ashram wandern und Dich damit beschäftigen, die Schilder abzuschreiben:
"Centering in the ordinary",
lädt Dich eine freundliche Tafel zur Mitarbeit ein. Voller Grausen schüttelst Du Dich bei dem Gedanken, mit Putzeimer und Scheuertuch, mit Wannen voller Plastikgeschirr, mit Computerarbeit, Telefon-, Kassier- Wach- oder Servierdienst Deine teuren Urlaubstage zu vergeuden. 1000 Ma Fulwareis brächten Dich dahin ebensowenig wie eine Ma Anand Sheela.
Was Du auf der Ranch schon verabscheut hast, macht Dir Poona II auch nicht schmackhafter.
Die gut verwurzelten Ashram-Mamas haben ihren neugierigen Rüssel immer gern in anderer Swamis Leben gesteckt, anstatt sich um sich selbst zu kümmern. Umgekehrt stimmt es auch wieder.
Wahrscheinlich können sie sich schlecht nur vorstellen, dass Du mit den Schmetterlingen torkelst. Du weißt nicht, ob Du der Schmetterling bist, der dort torkelt, ob Du ihn siehst, oder träumst Du ihn nur?
Du fühlst mit halbgeschlossenen Augenlidern die weibliche Energie einer braungebrannten Schönen tanzen. Ohne Anstrengung, ohne Anspannung bewegt sie ihren zauberhaften, geschmeidigen Körper, Dich gleich mit und zieht Dich in Ihren Bann, bis Du fragen musst
"What's Your Name?"
"Sarit, and yours?"
"Sudesh",
und tanzt durch die Existenz, mit der Du Dich eins und in Einklang weißt, den Tag, die Nacht, jeden Atemzug.
Für seine Sannyasin pulsiert Bhawan mit der Existenz. Mit ihr in Einklang fühlen sie sich mit ihm eins. Deswegen müssen sie sich längst nicht einig sein.
Es reicht, wenn sie einander in ihrer Uneinigkeit achten. Und Ma Arup's-Garimo's "shared understanding" soll das "shared misunderstanding" nicht fehlen!
Wenn jemand Bhagwan zitiert, dass nach seinem Tod auf einen von ihm vorbereiteten Markt sich jede Menge neuer "Erleuchteter" tummeln würden, so hat ein anderer gehört, dass er sich nach Bhagwans Tod wieder einen lebendigen Meister suchen soll.
Jeder, liebe Ma Arup-Garimo, der Bhagwan zitiert, beginnt schon den Machtmissbrauch, wird Ideologe.
Das Ziel ist nicht Rede, nicht Schrift, ist Sein. Sein ist Glück, Samadhi, Nirwana - oder auch nur ein bisschen verrückt sein.
Wenn Du im Ashram Du selbst sein darfst, dann bist Du zufrieden. Je weniger Zwang Dich drängt, Dich zu verstellen, umso freier bist Du.
Geschichten, Gesichter, Gestalten im Vorübergehen, ebenso verrückt wie Du selbst. Einer erzählt vom Fischen mit Sprengstoff in den Philippinen, der andere vom 1000 Meter Abgrund im Canon, eine Münchner Ma erstmals mit rosa Nagellack, wo Du hinsiehst und -hörst, jeder schwimmt mit Bhagwans Traum von Freiheit.

22. Alptraum Poona