back 2 "enlightenment" (III)

24. Drop or be the Ashram

O.K., ich drop. Aber ich bleibe. Wartesaal zum Glück, zu Nirwana, Samadhi, Treffpunkt für Verrückte wie Dich und mich.

Das dralle Eheweib drangsaliert den armen Teheran Swami Sharan, der nach mir in Rajneeshpuram seine Mala abgeben musste.

Eine lockige Rothaarige treffe ich an der Theke von Bodhidharmas Tee-Garten wieder, die mir schon beim Frühstück vor der Buddha-Halle aufgefallen ist. Zu den Rhythmen von Sade

"for heavens sake why do you play these games?",

tanzen wir unauffällig im Morgen zu unserem Ingwer-Tee. Das traurige Lied "um Himmels willen, warum machst Du diese Spiele" wird wieder wahr.

Die rotgelocke Ma Prem Avinash aus Brasilien bleibt ein halbes Jahr hier. Sie jobbt als Therapeutin "light accupuncture".

Eine weitere traurige Melodie erklingt bei Basho. Zum gemeinsamen Schwingen bemerke ich traurig: "Ein sentimentales Lied",

entsetzt schützt Du Dich, indem Du mit ihrem grausigen Lachen mitgehst:

"Sentimental, Du kennst das Wort?"

Gesicht und Worte verzerren sich zu ungeschlachter Grobheit. Das geteilte Missverständnis schließt jedes weitere Wort aus

Ich gehe meilenweit durch das geliebte Indien.

Die Szene trifft mich wie einen Schlag in den Unterleib, dass sich meine verletzten Gefühle der Tränen kaum erwehren können.

Ebenso wenig wehre ich ihr Küsschen ab, als sie sanfter einlenkt:

"Ja, Du kennst es",

Es ist wie ein Judas-Kuß. Ich bin wie zu Eis gefroren und verberge mich hinter den Blumen auf der Theke.

Trost- und huldvoll schwebt Ma Jivan Fulwarei an die Bar in knallroten, engen Trainingshosen. Doch ich bin bedient für den Moment. Hinter den Blumen verborgen, blinzele ich ihr zu, dankbar, dass ihr erfreulicher Auftritt mir über meinen Schock hilft. Doch sie tappt mit Tee und schnellen Schritten ab.

Als junge, im Ashram mit Selbstbewusstsein heranwachsende Schönheit verdiente sie mehr Aufmerksamkeit von mir, ihrem Mitbewohner, diesem unbegreiflichen Sonderling.

Ich sollte nicht nur Ashram, sollte auch Computer droppen. Ego droppt allein, wenn Du es lässt - nur wann?

Kolonialwarenladen (Lucknow 1993)


Und ich treibe in der Tat durch den Tag wie ein Boot ohne Steuer und Segel. Ich war schon in Zivil, stehe vor dem Ashram, und frage die Wolken, ob ich schwimmen soll. Swami Sharan hat ab 2.00 p.m. zwei Stunden frei, weil dann seine besitzergreifende Ehefolter arbeitet. Also wollten wir uns dann im Schwimmbad treffen.

Doch mir fehlt Sonne für das teure, schöne Bad. Die Japanerin Ma Cheytan Bali geht zur "Shopping Meditation" in die MG-Road. Will ich vielleicht auf's Land radeln? Will ich im Bett Deines Herzens Tönen zuhören?

Ein Kärtchen an meine Liebste Ma MiMa kann ich ab 9.30 Uhr der Ashram-Poststelle übergeben. Da habe ich also eine Tagesaufgabe vor dem Mittagessen.

Der Rest ist Schweigen.

Als ich auf dem Rad sitze, lenk mich eine unbegreifliche Kraft in die Stadt. Ich fahre unendlich langsam, um weniger Abgas-Gift durch die Lungen zu pumpen. Ich bin bedächtig wie selten zuvor in Indien. Wie den Indern dient auch mir der Baum mit den ausladenden Luftwurzeln als Bedürfnisanstalt.

"Der MG-Road Ashram",

fantasiere ich, wie ich durch enge Shopping-Arkaden schlendere

"Touche' the Sizzler" heißt mein Mittagslokal, das ich mit Indern teile. Geschäftsleute mit Aktentaschen, eine Familie mit zwei fetten Mamas, drei kleinen Inderkindern, zwei mit Zöpfen, eins mit angedeutetem Sikh-Kopfschmuck, der Mann mit rotem Turban.

Die gekühlte Luft im Lokal tut meinen gemarterten Lungen gut. Diese Stadtfahrten musst Du mit dem Taxi unternehmen, weil die Luft nicht zu atmen ist.

Es ist nur die Luft, die stört. Im Verkehr habe ich mit diesem dritten Ausflug zu fließen gelernt. Das Lokal mit Ledersesseln ist auch nicht viel teurer als Ashram-Restaurant oder Prems. Doch die wenigen Bohnen und Brokoli-Brocken mit Reis vermischt, schmecken fad - trotz aller Gewürze. Ich sollte den Ashram fragen:

"Warum nützt ihr nicht Oshos Samadhi-Raum, den ihr doch ohnehin kühlt und nur für eine Meditations-Stunde und eine Führung zu brauchen scheint, warum nützt ihr den herrlichen Platz nicht zusätzlich noch als teures Nobel-Restaurant oder besser gleich als Disco?"

Meinen Rückflug kann ich nicht bestätigen lassen, da die Computersysteme "down" sind.

Vielleicht sollte ich meiner Ma MiMa daheim das schwarze Kleid aus der Boutique kaufen? Sie braucht ohnehin so einen Fetzen für Theater- oder Presse-Fressen-Meditationen.

Ich kaufe also. Ich kaufe ihr ohnehin immer die gleichen Kleider, die sie verhüllen und zeigen. Im Ausverkauf daheim zahlt Du auch nicht mehr als hier, etwa 25 Mark. Nur kann ich gleich dabei einen 100-Markschein dabei wechseln.

Mein Nachbar Swami Deva Werner hat neulich auf der Bank drei Stunden auf Rupees warten müssen, weil die ausverkauft waren. Ich bekomme 2250 Rupees in einer halben Minute. Der wechselnde Kleiderhändler ist nervöser als ich. Sie prüfen meinen Schein und befragen noch einen Experten. Als in mir ruhender Europäer beunruhige ich die ansonsten entspannten Inder.

Nach Essen und Einkauf gehe ich zu meinem Rad und horche kurz nach innen, bevor ich aufsteige. Ganz erschreckt höre ich ein völlig erschöpftes Kind wimmern:

"Bett...."

Du fährst so vorsichtig, als hättest Du dies innere Kind bei Dir auf dem Rad. Du schiebst Dein Rad sogar, als es die kleine Steigung über die Bahn geht. Die Entfernungen sind gering. Du hast Glück mit der Luft, da der Verkehr sich weitgehend zur Mittagspause verkrochen hat.

Dein inneres Kind flehte zu Recht: Du schläfst zwei Stunden.

Diese Tyohar-Sessions bestimmen ebenso wie die WRB-Abende den Tagesverlauf. Ich sammele Kraft für dies Abend-Ereignis.

Ma Divyam Sudira (calm meditation) aus Tokyo erzählt nach großem und kleinem Satsang im ABC-Farm Restaurant von ihren Eltern daheim und dem Ashram:

"Das ist wie ein Safari-Park..."

"Suffering-park?",

versuchst Du belustigt zu verstehen,

"nein, Safari-Park mit Tigern, Löwen, Elefanten, die überall rumstapfen Aber Suffering-Park stimmt auch."

Freunde wollen sie tiefer in Gruppen, Meditation oder Arbeit drängen. Sie will das ebenso wenig wie den Zwang ihrer Eltern. Sie will nicht einmal mehr Ashram-Eintritt zahlen. Also bleibt sie draußen, sie droppt den Ashram, um länger in Indien bleiben zu können.

Wir selbst gestalten unser Leben, unsere Welt, unseren Ashram, ob als Safari-, Suffering- oder Fantasie-Park bleibt sich gleich.

Die Osho Internationale Commune verschafft sich weltweit Geltung. Geld kommt in Mengen. Als weitere Einkommensquellen bietet sich ein neuer Buddha-Feld Stiftungs-Satsang an:

Wer 100.000 Dollar stiftet, sitzt eine Stunde vor versammelter White Robe Bruderschaft in tiefer Meditationsandacht. 10 solcher Sitzungen zeichnen den Millionen-Dollar Spender als Osho-Foundation Premium Support-Member aus. Er darf die goldene Robe mit schwarz-roten Nadelstreifen tragen. Die Robe zeigt das goldene Herz des Spenders. Die Streifen symbolisieren seine Liebe zu Therapierenden und Therapeuten.

Weitere Wünsche darf der edle Spender sich meditativ und nach eigenem Geschmack im nächtlichen Samadhi-Raum erfüllen lassen, nachdem dort der Disco-Betrieb das zahlende Publikum in tropische Nachtruhe entlassen hat.

Das neue Ashram-Hotel befördert seine Gäste in klimatisierten Fahrzeugen vom und zum internationalen Flughafen Bombay. Die Investition mindert die Steuerlast des Ashrams.

Ab nur 50.000 Rupees monatlich bekommst Du Zimmer mit Vollpension und freiem Zugang zu Ashram samt Bad und Samadhi.

Sannyasins mit eigenem Erleuchtungs-Anspruch geben Satsang in dem Raum neben der Meera-Bar, auch Mini-Buddha Halle genannt. Je nach Andrang stiften die Nach-Erleuchteten der Commune unentgeldlich Satsang in wöchentlich, oder monatlich wechselndem Turnus. Sie treten in einem mit Spiegeln besetzten Gewand auf, welches Deine eigene Suche wiederspiegelt.

 



Der Ashram als Waschanlage für Rupees 



Langsam drehst Du ab. Fantasie, Traum, Wirklichkeit, was ist was?

Was sich treffen soll, trifft sich. So kreuzt die rotgelockte Norwegerin Lilith immer wieder meinen Weg. An der Bar gestern musste ich aus meiner Ecke weichen, weil dort schon Champagner für die Tänzer vorbereitet war. Lilith kann ich fragen, sie war in der Tanzgruppe:

"Hast Du getanzt heut Abend?"

"Ja, hast Du es nicht gesehen?"

"Oh, ich hab's verpaßt",

heuchelst Du Trauer. Etwas erstaunt wendet sie sich dem Tanzlehrer Swami Deva Bhavati zu. Mittags treffe ich die Frau im Pool im Badeanzug.
Nach langem Schwimmen und Duschen und Sonnen zwingt mich ihre Schönheit, zu ihr zu gehen, vor ihr in die Knie:

"Bist Du Lilith?"

"Ja"

"Schön, Dich am Pool zu sehen".

Ihr seht Euch lange an. Wahrscheinlich könntest Du sie noch einige Jahrzehnte, ein paar Kinder eingeschlossen, so bestaunen und bekriegen, aber Du kürzt die Prozedur auf ein einträgliches Maß ab:

"See You."

Sie nickt nur. Beim Essen zieht sie mit Swami Deva Bhavati vorüber. Sie geht mit erhobenem Kopf. Auf einer Hand balanciert sie dabei ihr Tablett mit Essen und einer randvollen Tasse. Du kannst genau sehen, dass ihr Kunststück keinen Tropfen Chai vergießt. Sie ist ein herrliches Weib!

25. Kraftvoller Kult