Die Uhr läuft ab. Mein Hauptgesprächspartner Swami Antar Chaitanya setzt sich in Mariam zum Frühstück zu mir und atmet erleichert auf:
"Deine Reise ist bald zu Ende."
Stimmst so zwar nicht, aber wenn die Micky-Maus nicht gleich geschwind die passende Antwort weiß, gibt sie erstmal Recht und hat Ruh.
Eine Ma, die diesen Monat 12000 Osho-Tapes dupliziert und verschickt hat, setzt sich dazu. Natürlich brauchen sie in diesem Festival Streßmonat Hilfen. Jeder ist herzlich eingeladen, egal welche Arbeit Du wie machst:
"Gossip-Coordinator",
gibst Du wichtigtuerisch an. Du kannst hier im Ashram, wo die Menschen offen und feinfühlig sind, Oshos Botschaften testen. Das Bewußtsein, die "religiöse" Ausrichtung offenbart sich nach wenigen Sätzen.
Fundamentalistische Sannyasin wollen Dich von der wunderbaren Ashram-Einrichtung, die nun sieben Jahre ohne lebendigen Meister auskommt, überzeugen. Am meisten verunsicherst sie, wenn Du ihnen unumschränkt Recht gibst im Stil von Ma Arup-Garimos Buddha-Hallen Gossip:
"Es ist alles wunderbar, wirklich wunderbar."
Um das wahrzunehmen, mußt Du erleuchtet sein. Vielleicht ist sie es ja.
Oshos Vision stützt die Individualität und zerstört die organisierte Religions-Industrie. Wenn Du das dem Ashram-Betrieb hier vorwerfen kannst, ohne daß sie Dich rausschmeißen, hat der Betrieb das Maximum an Freiheit erreicht. Und ohne die kann der Verein Konkurs anmelden.
Die Sessel-Reliquie, der lächerliche Metalldetektor, das heilige Getue um den Samadhi-Schrein lassen sich abstellen, verbessern. Doch wozu? Noch brummt die Rupee. Deshalb vielleicht.
Einen Tag nach dem Massenandrang, dem Todes-Feiertag, gehst Du wieder durch die lächerliche Schleuse. Eine eingeschüchterte, verängstigte Neue muß Zigaretten und Feuerzug in ihre Schuhe zurück bringen. Ob die Reliquie allergisch ist?
Dir ist schon klar, daß der Betrieb so die nächsten 10 Jahre weiter läuft - ohne Dich, wenn Du den Westen solange nervlich erträgst.
Was den Ashram lebendig erhält, sind liebende Menschen, die sich suchen und vielleicht sogar finden.
Wenn das religiöse Geschäft all den Sand, den Du in sein Getriebe schmeißt, verträgt, bewunderst Du die Qualität des Mechanismus. Der Ashram hat nach einem Monat alle denkbaren Tests mit Anstand bestanden. Das restliche Geplänkel sind Sottisen am Rand von Bashos Pond:
"Warum machen die hier schon so früh zu?", fragt unschuldig die Blonde aus der kalten Heimat.
"Damit Du noch zur Kundalini gehen kannst,"
passt als Antwort, wie sie bestätigt:
"Oh, ja!"
"So werden sie Dir hier sagen",
dämpfst Du ihre Freude. Doch wenn Du ihr gefällst, freut sie auch der Satz.
Ma Jivan Fulwarei hat endlich einen Freund gefunden. Du siehst es an ihrem Gesicht ebenso wie daran, daß jetzt ein kleines Schloß ihre Zimmertür ziert.
Die Kapitel enden. Dein Zimmer hast Du der Vermittlung übergeben. Die praktische Welt beginnt wieder mit ihren Anstrengungen und Anforderungen, Deine Träume zu stören. Sie sind ohnehin zu Ende.
Die roten Einstiche sind Dir ebenso unklar wie Deine Müdigkeit, Dein Verlangen, einfach für Stunden zu ruhen. Du kennst Dich so nicht in Deutschland, nicht einmal von Deinen letzten Indien-Reisen. Ob Du selbst Sand in Deinem Körpergetriebe hast, eine kleine oder große Krankheit, die Dich bis zum Lebensende nicht mehr verläßt?
Gossip, Geschwätz und Gerücht läßt sich in jede Richtung verbreiten. Bei sich anzufangen, ist nicht verkehrt. Aber den Ashram als heilige Institution aus der Kritik rauszunehmen, hat schon einmal zu seinem Zusammenbruch geführt. Mit welcher lammfrommen Hingabe sich die Menschen dem Betrieb anpassen, bleibt ohnehin Geheimnis jahrzehnterlanger Sannyas-Übung. Nennt man das Konditionierung?
Du willst und wirst aus Deinem Herzen keine Mördergrube machen. Du wirst Deine Sätze über E-Mail Medien öffentlich ins Netz stellen. Was soll geheim daran sein? Du hast Deine ganze Liebe in die Mini-Tasten gegeben.
Mit einzelnen Personen von der Ranch noch Gespräche zu führen, Swami Ramateertha, Bischof zu Köln, nach der Ehre einer Holzmala zu fragen, all das ist Dir sinnlos, unwichtig geworden.
Personen verkörpern austauschbare Energieen, spielen Rollen, die die Existenz für sie vorgesehen hat. Personen sind unwichtig im Spiel, im Tanz, im Streben um Erleuchtung. Es kommt nur auf Dich an, was Du aus Dir machst, was, wann, wie, warum und so weiter.
Es hat geregnet in der Nacht. Angenehm weht eine Brise. Unvergessene Stunden hast Du gehabt, bei Tyohar, im Mariam, wo die sinkende Sonne die Blätter blutrot färbt, in Bashos Pond, wo im Firmament riesige Vögel kreisen, bei Prems.
Dem Spiel der Gedanken und Begierden hast Du tiefer und tiefer zuschauen lernen. Deren Gossip hast Du nach außen getragen. Die Befehle wie "drop the mind" taugen Dir sowenig wie andere Anweisungen. "drop the ego". Als ob Du etwas machen könntest! Du beschränkst Dich auf Dein augenblickliches Glück oder Leid. Ob mit oder ohne Ego, mit oder ohne Mind, ist Dir egal.
Mit Spaß hast Du Deinem Geschwätz zugehört, mit Freude geschrieben, berichtet. Öfter hast Du "Enjoy" gehört. Du dichtest Dir Deinen Poona-Spruch daraus:
"Enjoy the mind!"
Wer niemals sich Ashram oder Satsang gönnt, wie soll der erfüllt leben, wie sterben?
Die Einstiche könnten Flöhe von der Decke sein, die Dir der Händler vor bald einem Monat gab - billiger. Er zog ein verächtliches Gesicht dabei. Das zweite Fahrradschloß wurde heute Schrott wie das Erste. Du hattest es aufzuschließen vergessen. Ein kleiner Ruck mit den Speichen hat es zerstört.
Swami Suviro, Dein Vermieter, hat in Bashos Pond die PSION-Lektion erhalten, die Du anfangs versprochen. Ma Jivan Fulwarei weiß so wenig, woran sie mit Dir sein soll, wie Du selbst. Aber wenn Du auf Deinem Rad die Hände vom Lenker nimmst, um sie mit "Namaste" im Vorbeifahren zu grüßen, freut sie sich. Das soll sie auch, das sollen alle.
Wer sich nicht über Micky-Maus Scherze freuen kann, wer sich nach 10, 20 Jahren Sannyas noch ärgert über Worte, Sätze muß weiter beten.
Der Katalog zum guten Sannysin ist in Arbeit. Sein erster Entwurf bietet schon einiges, was dem Sucher an Pluspunkten frommt:
Pluspunkte des frommen Suchers |
|
Eintrittskarte zum Zirkus Poona |
neue(r) Freund(in) (german)
... 800 |
Bei 10.000 Punkten gibt's einen Holzroller. Mit dem kannst Du weitere Punkte beim Holzroller-Rennen auf dem Weg rund um die Buddha-Halle machen.
Wie in der Flensburger Verkehrssünderkartei musst Du auch mit Strafpunkten rechnen: In der Hauptgeschäftszeit zwischen 9.00 und 16.00 Uhr ohne rote Robe das religiöse Gemeinschaftsgefühl der frommen Gemeinde zu stören, verschafft Dir ebenso einen Eintrag ins Klassenbuch wie das vorzeitige, gar noch hustende Verlassen der WRB.
Wer aus dem Ashram Reliquien klaut wie das Osho Bild vor der Bank zwischen Bookshop und Buddha-Halle muß mit der Verschiebung seiner Erleuchtung um mindestens fünf erbärmliche Wiedergeburten rechnen von der Art indischer Leichenwäscher.
Wer offene Diskussion bei den Vorträgen der Erlauchten des Inneren Kreises in der Buddha-Halle herbeizuführen trachtet, verlasse den Ashram sofort und für mindestens 10 Jahre. Seine Rückkehr in die Gemeinde kann er sich danach in seinem Heim-Center nach obigem Punktekatalog er-meditieren.
Wer seine Abscheu soweit überwinden konnte, dies Produkt von Poona Meditation zu lesen, wird mit Wehmut an die klaren Entscheidungen einer Ma Anand Sheela zurück denken. Sie stand - trotz einiger kleinerer, verzeihlicher, aktenkundlicher Verfehlungen in ihrem Lebenslauf - unserem geliebten Herrn, Meister und Freund näher. Damals konnte es sich die Commune noch leisten, Fremdkörper zu eliminieren.
Es standen ja auch 87 RollceRoyce in der Garage, heut langweilt sich einer im Samadhi.
Heute integrieren sie sogar einen Swami Anand Sudesh. Und was macht er schon? Er macht sich bei ein paar rechtgläubig, fundamentalistisch religiösen Vorbetern unbeliebt. Das hat er seit seiner frühesten Kindheit zum Leidwesen seiner geplagten Eltern schon so als schwieriges Kind begonnen. Und daß er das nun bald bis zu seinem 50igsten Jahr durchhalten kann, macht ihm ein dickes, stolzes, feistes, dreistes, freches, frohes Ego. Das Zen Hygenic Restaurant stärkt es wieder. Das Straßenrestaurant darunter schreibt in güldenen Lettern auf seine Eingangsmauer:
COSMIC ENTERPRISES
GERMAN BAKERY
BROWN BREADS, CAKES, SANDWICHES, SALADS, FRESH JUICES, ESPRESSO, CAPPPUCINO, ETC.
Das ist so geblieben wie vor 20 Jahren der Pudding Shop in Istanbul, wo früher noch die Orient-Reise begann.
Der Ashram bietet zwar noch seine Musikgruppe, doch die ist nicht mehr geblieben wie vor 16 Jahren. Damals sind wir wild durch die Halle gehüpft, voller feuriger Energie und Verlangen.
Heut schart sich ein Häuflein von etwa 50 Schäflein wie verschreckt zu den frommen, unverändert schönen Gesängen. Die Kirche hat ähnliche Probleme mit ihrer Laufkundschaft. Auch dort klingt der Gesang dünn - bei noch höherem Durchschnittsalter als im Tempel Buddha-Halle.
Auch die Kommune ist vor heidnischen Zeiten nicht gefeit. Seit dem silent Satsang Samstag früh, drei Tage lang ohne Mini-Master Tyohar, kommst Du im Ashram spirituellen auf Entzug. Denn auf die Dauer sind die dort verabreichten Meditationen doch recht homöopathisch, also stark verdünnt. Wem der Glaube fehlt, dem wird die 100erste Dynamische schon zum eingeübten Zappelspiel. Doch wie sollst Du Dich anders aus schlaflosen Poona-Nächten in den Tag retten?
Du hättest eine Woche früher heim fliegen sollen. Der Abbau des Festbanketts nach dem siebten Leichenschmaus bei sich füllendem Mond zehrt an Deiner friedvollen Micky Maus Erleuchtung, die Dir Tyohar hat glauben machen.