back 2 "enlightenment" (III)

30. Schlaflos

Was machst Du bloß in Poona ab 2.30 Uhr nachts, wenn Deine Schlafuhr abgelaufen ist?
Vor 16 Jahren habe ich in Poona um die Zeit noch Nacht-Cafes besucht. Das reicht heute nicht mehr. Was gibt es denn noch zu sehen draußen, wenn Du flott auf die 50 marschierst? Wer dann Nachtleben nachholen muss, ist spät dran.
Poona-Pilger hören Osho-MCs, lesen Osho Bücher, üben sich in Osho Tantra.
Ab 6.00 Uhr unterhält Dich die Dynamische, was immerhin weniger Stress ist, als im Poona-Bahnhof um die Zeit Klo und Teehaus zu suchen.
Die Ashram-Kantine Mariam labt Dich. Die süße, kleine Ma Jivan Fulwarei tappelt regelmäßig zur Dynamischen. Die Entspannung mit einem kleinen Gespräch mit ihr, habe ich mir nach etwa 100 Seiten hirnverzopfter, herzloser Romanze verdient.
Sie ist 32 Jahre alt, sieht aber aus wie 25. Das sage ich ihr nicht als Schmeichelei, ich sehe sie so. Zuletzt hat sie als Datentypistin gearbeitet in einer Stadt mit N, Nagiki oder so, wo es jetzt bitter kalt sein soll, um die Null Grad.
Ich erzähle ihr, dass ich mich auf meine Freundin freue, zu der in einer Woche der Flieger führt. Sie hat eine ähnliche, weibliche, süße Ausstrahlung, berichtest Du ihr.

"Oh, auch aus Japan?",
fragt sie mit Stolz,
"Nein, Deutsche",
gebe ich gleich stolz zurück. Aber es scheint ihr gleichgültig zu sein:
"Oh, ich kann auch sehr hart sein,"
erstaunt sie mich,
"wie Kung Fu?",
frage ich mit meinem bösesten Blick und ohne tiefere Kenntnisse japanischer Horror-Xanthippen. Sie hält dem Blick lange, lange stand, bis sie irgendwie weicher klingt:
"Nö, so nicht."
Ich bin zwar damit auch nicht schlauer, aber glücklicher. Einem kranken Freund oder einer Freundin, was sie Dich nicht hat genau verstehen lassen, packt sie noch Brötchen ein. Ich bestaune aus drei Meter Entfernung ihre magischen, weiblichen Zen-Kunststücke beim Verpacken der Brötchen, bis sie meine Bewunderung lächelnd huldvoll nickend mit einem Seitenblick annimmt.


Unterhaltung in Indien: 
Schüler fühlt sich gut in Poojaji's Satsang-Stuhl

Ihre Mal-Gruppe dauert zwei Monate lang. Einen Worker-Paß erhält sie erst nach einem Monat Arbeit - aber auch dann nicht mit Gewissheit. Sie ist zwei Jahre Sannyasin.
Fromm, wie sie ist, fragt sie mich sogleich nach meinem Sannyas-Alter. 16 solcher Jahre fordert ihr ersichtliche Achtung ab. Wenn sie nicht so unbeschreiblich weiblich und süß wäre, wäre das mein spätester Fluchtpunkt. Doch wie soll ich ihr entfliehen und wohin?
Nach meinem Sannyas-Alter fragt auch die japanische Disco-Ma Bali, die seit fünf Jahren im Verein ist. Sie wagt also schon frecheres Auftreten. Außerdem hat sie vor acht Jahren Indien kreuz und quer monatelang bereist, was nie ohne Folgen bleibt. Komisch, von den Ranch-Verbrechen hat sie keinen Schimmer:
"Was, Du bist ins Gefängnis gekommen?"
"Ich doch nicht, Osho, Ma Sheela, Ma Shanti Bee, Ma Puja und andere",
beruhige ich sie. Aber den Kredit, dass ich vor 20 Jahren erstmals in Indien warst, beginne ich damit schon zu verspielen. Als ich dann noch mit Tyohar heut abend anfange, rümpft sie Stirn und Nase:
"Dem Israeli? Ich bin da so misstrauisch. Aber Du erzählst mir, wie's war, nicht?"
Sie ist zwar süß, aber das kann meine flapsige Rede auch nicht zurückhalten:
"Och, ich war da schon über 12 Mal, vier Abende die Woche."
"Äh?",
rümpft sie sich wieder ganz ungläubig. Du musst beruhigen:
"Tja, ich bin kein guter Sannyasin, ich sag's Dir gleich."
Mit Umarmung und Küßchen entlässt sie Dich:
"Ist schon o.k.".


Vor dem Ashram von Ponjaji in Lucknow '93

Ein Swami Miten, 78er Swami, schaut sich das Appartment an, sieht meine Mückenstiche und endlich kaufe ich auf seine Empfehlung "odomoz", die Mückensalbe.
Ich habe das Gefühl, zu spät mir zu helfen, erst als ich Ma Balis Umarmung annahm. Ich fühle mich weiter krank, die kleine Fahrt zum Appartement, der Kauf des Bustickets Poona-Bombay im Ashram waren mir schon zuviel. Ich brauche jetzt schleunigst ärztliche Hilfe, irgendwas stimmt absolut nicht mehr. Wenn es nur die schlaflose Nacht gewesen wäre, wäre ich noch mal gerettet. Aber sicher bin ich mir meiner Gesundheit längst nicht mehr. Beim ersten Stich hätte ich reagieren müssen, nicht vier Wochen später.
Die Verantwortung für mich selbst habe ich schlecht wahrgenommen. Mein Mind hat mich zwar 100 Seiten kreuz und quer, rauf und runter durch mein inneres Fantasia-Land geführt. Hat mich mein Verstand nicht verführt? Nicht einmal Mückensalbe Odomoz für 16,5 Rps. habe ich mir selbst verschaffen können. Da muss erst ein 78er Swami meinen Raum, die erschlagenen Mücken an den Wänden, meine zerstochenen Handgelenke und mein Gesicht sehen.
Also suche ich in Pythagoras einen Doktor auf, wobei mir die Empfangs-Ma 50 Rps. vom Voucher streicht. Ich bekomme einen Termin in einer halben Stunde. Swami Dr. Neeraw prüft Blutdruck, sieht mir in die Augen, hört mein Herz, fragt nach Fieber, was ich nicht zu haben glaube:

"Ich kann stundenlang auf einem Platz sitzen und die Bäume ansehen. Daheim geht das nicht. Diese Erfahrungen, die Stiche machen mir Angst."
"Das ist alles perfekt o.k. Du wirst einfach gesunder. Die Mücken sitzen auf Dir und lassen's sich auch gut gehen. Herz, Blutdruck, alles bestens, kauf Dir Autan-Spray zusätzlich. Was machst Du daheim?"
"Computer-Experte."
"So, Du sitzt also den Tag vor dem Computer. Hast Du einen mit?"
"Ja, in meiner Tasche, willst Du ihn sehen?"
"Ja, prima, dann funktioniert Dein Verstand auch, wenn Du damit arbeitest."
"Ja, mir macht mein Verstand Freude."
Was selbst hier beim Doktor stimmt, dem ich noch die Maschine aus der Tasche eine halbe Minute vorführe. Ma Bali habe ich damit in Bodhidharmas Teegarten etwa 10 Minuten lang etwas vorgespielt, wobei ihr Gekicher erhebliche Unruhe in den Zen-Tee-Tempel brachte. Aber der Mann und seine Maschine ist für Damen ja wichtig, denkt sich ein Mann - nach schlaflosen Nächten.
Nach der Konsultation schlafe ich mich beruhigt in der Sonne aus. Ich danke meinem Rettungsfallschirm Ashram im nervlichen Sturzflug ein weiteres Mal.

31. Der harte Weg