back 2 "enlightenment" (IV)

40. Ma Veet Mimansa, Geliebte daheim

Der Flieger setzt mit einem für mich ungeheuren Gefühl der Erleichterung am Franz Josef Strauss Airport sanft auf. Ich sehe mit glücklichen Gefühlen in die saubere, nebelgraue Kälte eines bayrischen Januartags. Die Abfertigung ist schnell und problemlos, geteilt für zwei Kasten:
"EU Mitglieder only"
und eben keine Bevorzugten aus den Luxusländern dieser Welt.
Während ich am Fließband auf meinen Rucksack warte, sehe ich draußen schon meine langersehnte Geliebte in dick verpackter Winterkleidung.
Ich habe die etwa 10 Jahre alte und in Indien noch gefärbte Windjacke im Flugzeug vergessen. Ich lasse sie den Putzkolonnen als Geschenk. Darum zu kämpfen, ist nach 40 Indientagen und mehr als 40 Reisestunden von Poona aus nun nicht mehr Deine Kraft wert. Und wer will schon indische rote Farbe beim ersten Regen über seine Hosen laufen sehen? Der Gedanke tröstet über ihren Verlust.
Die Freude auf die Frau ist wichtiger, ist größer. Ma Viramano hat mir noch im Flieger bescheinigt, dass ich verliebt sei. Sie wird es wissen. Ihr Job ist "psychic reading".
"Erdferkel" Mimansa, geboren im Jahr des Schweins 1959, Erdferkel ist in der langen Zeit ein wenig fremd mir geworden. Doch sie legt sich weich und willig, schmiegsam, biegsam und fügsam an mich. Meine Winterjacke hat sie mir gleich mitgebracht. Wir wollen nur eins: schnell ins Bett.
Die S-Bahn wartet schon. Sie will in Fahrtrichtung sitzen. Ich platziere sie passend. Der Zugführer schert sich aber nicht um meine Sitzwahl und fährt verkehrt herum ab. Es ist ihr auch recht.
Sie packt die Goldkette aus, ich hänge sie ihr um dem Hals. Wir müssen wohl beide das Gleiche denken. Jedenfalls meint sie mit ihrem treuesten Collie-Blick:
"Teurer Hund."
Ich kann es kaum erwarten, nach München-Pasing zu kommen, wo sie meinen Diesel geparkt hat. Im Peugeot 405 rollen wir leise durch eine meditative, stille, deutsche Verkehrslandschaft im Feierabendverkehr. Erstaunt bewundere ich die Ruhe. Diese Fahrt genieße ich nach 40 Tagen Indien als ungeheuren Luxus, der mir gehört. Die Frau bei mir fühlt sich warm, wohl, glücklich, geborgen.
Ma Veet Mimansa ist während meiner Abwesenheit nun komplett eingezogen. Ich erkenne die Wohnung nicht wieder. Es ist nicht mehr die, die ich verlassen habe. Ich bin nicht mehr in meiner Wohnung, sondern zu Gast bei einer wunderbaren Frau, die mein sein will, bei mir sein will.
Alle Strahlerbirnen sind durchgebrannt.
"Es war wie verhext hier",
erklärt sie das. Sie hat keine neuen eindrehen können, weil dies nicht gehe. Als Blonder liebst Du Blondinen und Witze über Euch:
"Wie viele Blondinen braucht man, eine Glühbirne einzudrehen?"

Mima packt ihr Geschenk aus.

Wir  finden keine Antwort, die Frage ist der Witz. Neben dem fehlenden Licht ist es kalt in der Wohnung. Es ist mir nicht gelungen, ihr die Reinigung des Ölofens zu erklären. Ich habe es nicht geübt mit ihr, also hat sie die letzte Woche ziemlich frieren müssen. Sie hatte genug mit Job und Haus zu schaffen.
Im Bett gesteht sie, dass das wunderschöne Aktfoto von ihrer Vorgängerin, Ma Deva Madira, aus zwei Gründen nicht mehr an seinem Platz hänge: Der Eine sei, dass sie es dann nicht sehen müsse, den Zweiten muss ich raten.
"Du hast frisch gestrichen!"
"Ja, Swami Premteerth hat das gemacht."
"Das zahl' ich natürlich."
"Nein, das schenke ich uns zum Einzug."
Ich verstehe die Welt, die Frau nicht mehr. Ihre sorgende Liebe, die wunderschöne Wohnung, die ganze stille, umhegte, geordnete, saubere Klarheit rühren zutiefst mein Herz, oder was ich dafür halte.
Ihr warmer, begehrter, schmiegsamer Körper, die schlanken Armen, die weichen Haare, ihre bedingungslose Liebe geben mir das Paradies.
Ich habe noch nie einer Frau ein so teures Geschenk gemacht wie ihr. Doch schon wieder bedauere ich, dass ich nicht den Armreif im gleichen Stil gekauft habe. Ich wusste es schon in Kuwait, dass es mich reuen würde. Doch immer noch vergewaltige ich meine innere Stimme, die doch nicht mehr von mir will, als mich glücklich und selig zu sehen.

Briefträgerchen, Winter morgens um 5.00 Uhr

Mit der Ordnung im Haus spüre ich auch gleich ihre neue Kraft dort. Doch ich bin glücklich mit meinem neuen Chef, wenngleich mich ihre Nudelrolle im Ofen fast bis zum Herzinfarkt erschreckt. Aber ihr Lachen und Schmusen bewahren mich vor der Eilfahrt im Notarztwagen. Noch, dichte ich anderntags dazu.
Morgens um 4.30 Uhr lassen sich Briefträger wecken. Sie kann eine halbe Stunde früher anfangen, also schon um 5.30 Uhr. Wir danken lachend dem Schicksal, das uns begünstigt.
Ich stehe mit ihr auf, mache uns Spiegeleier und presse Orangensaft aus. Eine Frau, die bei Minus 20 Grad Briefe mit dem Fahrrad austragen kann, kann mich gut aushalten, bewunderst ich sie anerkennend. Ihr Körper ist von durchtrainierter Geschmeidigkeit. Nach meinem Indien-Training ist sie auch wieder mit meiner Figur zufrieden. Außerdem kann ich besser und länger mit ihr "ringen". Ich merke es daran, dass sie diesmal danach mehr und schneller Wasser trinken muss als ich. Wir sind aber lang noch nicht fertig miteinander.
Nur ihre Frage "Das stimmt doch, wir sind doch noch am Anfang, oder?",
verstehe ich nicht. Will Sie mich wieder mit ihren Blondinenwitzen unterhalten? Ich verstehst sie als Blonder doch ohnehin nicht.
Nun war Sie doch mit ihren selbstgemachten Kunsthandwerks-Kerzen auf Weihnachtsmärkten selber bald 20 Jahre Geschäftsfrau. Dann muss sie sich doch denken können, dass ich sie mit ihrer goldenen Kette nicht ins nächste Bett abschieben will. Ich wäre ja froh, sie so lange an mich ketten zu können, bis sich die Investition amortisiert hat.

 

Das Kabel, um die Daten vom PSION auf den PC zu übertragen, liegt 50 Kilometer weit fort von daheim - in der Firma. Mein lieber Kollege Herwig hat auch einen Psion, ich kann dort das Kabel leihen.
Die Existenz sorgt noch besser: Herwig verkauft mir gleich die vier Jahre alte Maschine komplett mit Netzteil und Überspielkabel zum Sonderpreis von etwa 2500 Rupees, einem blauen Hunderter hier. Weil ich beim Uhrmacher in der MG-Road meine innere Stimme überhört habe, habe ich von dort nicht mehr von den 70-Rupees Sicherungsbatterien aus Poona mitgebracht. Zur Strafe zahle ich daheim an Laden an dem Amper-Fluss 250 Rupees.
"Erdferkel" wollte ohnehin Computerarbeit lernen. Jetzt kannst ich mich als ihr schnaufendes "Walross" und als Computerlehrer aufspielen. Sie lehrt mich dafür lieben. Ich habe noch viel zu lernen.
Als sie duschte, habe ich den Heizstrahler angemacht. Ich habe doch mit einem halben Auge noch wahrgenommen, wie die Blumenblätter sich zu kräuseln begannen unter der Hitze. Was ich der lieben Blume damit angetan hast, sehe ich Stunden später. Die Gärtnerin Ma Veet Mimansa verzeiht wie immer mit ihrem lieben, verstehenden, asiatischen Mona Lisa Lächeln.
Manchmal wäre mir fast lieber, sie würde schimpfen, wie ich es von Ma Deva Madira oder Ma Anand Saroja und den meisten gewöhnt bin. Von den Jahren mit Ma Vimal Prem weiß ich, dass lächelnde Liebe und stilles Verständnis mich am nachhaltigsten zu beeinflussen und zu ändern vermögen.
Lass es zu, solang Du Mut hast.

41. Anhang: Schriftsatz zur Lage 10`85