Die Erleuchtung der Seekuh



E-Mail Streiterei ist Spaß. Partner im Ring Geistiger Kämpfchen erfreuen sich ihrer armen Gedanken-Macht, um einige Gefühle zu entflammen.. Macht das keinen Spaß? Mir schon! Aber:

Diese Cyber-Streitereien sind nichts verglichen mit den Schwierigkeiten in der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit gibt mir Beispiele mehr als genug, wie dämlich ich mich oft anstelle, wenn ich den geschützten Raum hinter der Tastatur meiner E-Mail Streiterei gegen die Wirklichkeit eintausche!

Donnerstag nachmittaag ist mein wunderbarer Job im Büro erledigt, und ich habe das lange Wochenende frei für meine Ausflüge - noch besser als Arbeit.

Dieses Wochenende wird endlich unsere ''Seekuh'', Mima's Weihnachtsmarkt-Transporter, fertig: die lange, schmerzhafte, therapeutische Transformatrion wird dann endlich mit dem Erleuchtung abgeschlossen sein. Davon kann ein armer VW-Transporter nur träumen, von seiner Erleuchtung als WOHNMOBIL!

Jahrelange haben Mimamai und ich unser Geld gespart, um einem Transporter den Traum zur Erleuchtung als WOHNMOBIL-Seekuh zu erfüllen. 

Mein Verlangen, in erstem Augenschein, in erster Berührung meine erste Nacht im Bauch der erleuchteten Seekuh zu verbringen, ist unbezwingbar. Im Hauptbahnhof München kaufe ich den Fahrschein für den schnellsten Zug, den ICE, nach Nürnberg. 41 Euro. Ich rufe meine Tochter an, dass sie mich am Nürnberger Bahnhof mit ihrem kleinen Smart abholt, damit sie mich mit meinem Klapprad an diesem regnerischen Abend heim zur Seekuh fährt. Ich soll aber nicht zu spät kommen, weil meine Tochter am Freitag lange Studien vor sich hat.

Die Wirklichkeit schockiert mich erbarmungslos mit ganz neuer Art von streitbarer Schwierigkeit, weil ich es überhaupt nicht gewöhnt bin, mit Zügen zu reisen.. Der Zug hält an vielen merkwürdigen bayrischen Dörfern, deren Namen ich noch nie gehört habe. Endlich kommt der Schaffner, studiert lange meinen Fahrschein, wiegt bedächtigt den Kopf und murmelt: ''Hmmm, komisch...''

''Stimmt was nicht mit meinem Ticket''  frage ich in der demütigen Art, in die unverzüglich alle Deutschen fallen, wenn ein Mensch in Uniform vor und über ihnen steht.

''Hmm'' nickt der Kontrolleur, ''Sie sind im falschen Zug! Dieser Zug ist nur der Regionalexpress, der kostet nur 18 Euro, kommt allerdings eine Stunde später in Nürnberg an als der ICE. Doch vielleicht bekommen Sie ja etwas Geld am Schalter zurück, doch das weiß ich nicht genau. Sehen Sie dieser Zug ist rot, ICEs sind weiß-grau!''

Eine Stunde später - schon ziemlich weich gekocht - radele ich also durch den Nürnberger Abendregen zu meiner Tochter. Ihre Mutter, meine Ex-Frau freut sich geradezu bis zur Entzückung über meinen Fehler. Esther, meine Tochter, macht sich über ihre Eltern lustig:

''Ich denke, dass ich Euch beide in ein Altenheim für  Behinderte bringen sollte.''

So ist's unsere übliche Deutsche Familien Tradition, wir wir einander achten und lieben. Ist das irgendwo anders?

Weil mehr und mehr Regen in der Nacht runterprasselt, hat meine Tochter, trotz der fortgeschrittenen Stunde Erbarmen mit ihrem verwirrten, alten Vater, und fährt mich und mein Klapprad 20 Kilometer weiter zur Werkstatt, wo die Seekuh ihrem Erleuchtungsfest entgegen fiebert.

Die hölzernen Bretter laden mich zum Schlaf, allerdings habe ich weder eine Decke noch eine Matrazen bei mir. Fünf Lampen erleuchten den Raum der Mysterien. Die Abschlussarbeiten sind noch nicht gemacht, aber immerhin heizt der Gasofen - leider mit einem ziemlich lauten Ventilator . Diese Nächte in Bayer sind wirklich selten, dass man ohne Decke schlafen kann. Tja, und eine Decke habe ich weder aus München, noch aus Nürnberg von der Esther mitgebracht.

Meine erste Nacht in der Seekuh gibt mir alle Gelegenenheiten, um die Schätze eines erleuchteten Transporters, eine Wohnmobil's also, zu erforschen.

Endlich ist auch die Nacht geschafft. Ich hatte drei Möglichkeiten versucht, um Schlaf zu finden: auf den Holzplanken im oberen Bett, weil es dort vielleicht etwas weniger laut sein könnte, auf dem unteren Bett, und schließlich auf dem Fahrersitz mit der Beifahrerbank. Das war weicher, aber zu kalt. Also kroch ich wieder nach hinter, wo meine überspannten Nerven vom Ventilatorgeräsuch gefoltert wurden. 

Nach dem Frühstück mit dem Meister, der der Seekuh zur Erleuchtung verhalf,  und seiner Frau, müssen wir zum TÜV fahren. Wenn ein einfacher Transporter sich zum Wohnmobil transformiert, verlangen die deutschen Gesetze einen neuen TÜV.

Lustig, wie die TÜV-Experten die Höhe der Seekuh bestimmen, nachdem das vorige Blechdach abgeschnitten wurde und mit einem gepolsterten Plastikhochdach plus Dachluke ersetzt wurde. Einer hält einen einfachen Zollstock solange in die Höhe, bis der andere aus 10 Meter Entfernung ''STOP'' ruft, wenn die Spitze des Zollstocks ungeführt auf der Höhe des Fahrzeugs ist: 265 Zentimeter braucht die Seekuh mindestens, um nicht ihr kostbares Dach anzuschlagen.

Nebenbei, mal ein paar Fragen: Interessiert sich überhaupt jemand für etwas anderes als für sein eigenes Leben? Will überhaupt jemand diese Geschicht'chen lesen oder die Bild'chen ansehen? Und will überhaupt jemand vielleicht selber kleine Geschicht'chen aus seinem Leben erzählen? 

Sollte dies der Fall sein: dann bitte hier, international in Englisch. Doch dann Danke dafür.

P.S.: Als ich Samstag abend dann endlich nach vielen kleinen Abenteuern mehr derart heimkomme, selbst nach einem Erleuchtungsfest auf dem Nürnberger Markt mit meiner Ex-Frau und ihren beiden Töchter, da schimpft Mima nur noch: ''Das Auto kann ich so doch garnicht brauchen! Ich wollte nur 20 Zentimeter breite Seitenkästen, so war das geplant! Jetzt ist nur ein schmaler Mittelgang übrig, so kann ich das Auto doch garnicht brauchen für meinen Weihnachtsmarkt! Ihr Männer hört niemals darauf, was die Frauen euch sagen!'' etc. pp..


back