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...oder "du musst dein Leben ändern". |
Nummerschild des Allrad-Mitsubishi auf der Forststrasse zur "Vöstn Alm"
Mein
Leben begann wild und wüst voller Hoffnung, Sehnsucht und Erwartung. 1971: Nach
einer dreimonatigen lebensbedrohlichen Krankheit hatte die Existenz den
Traum zertrümmert. Der Ruf “du
musst dein Leben ändern”
wurde unüberhörbar. Mit 24 Jahren trennte sich mein Leben schon vollkommen von der ‘normalen’ Gesellschaft: Anstatt meine Studien zu beenden, fand sich 1972 ein vollkommen anderer Sommer-Job als Schäfer in 1882 Metern Bergeshöhe. Mein Heim war ein altes Holzhaus mit offenem Feuer, ohne Elektrizität und ohne fließendes Wasser. Frisches Wasser musste man von der Quelle in Eimern heranschaffen. Meine erste junge Ehefrau teilte mit mir diese mysteriösen Monate mit den Kälbern, Ziegen, Schafen, Kitzen, in Sonne und Regen und von Zeit zu Zeit auch mit Schnee. Schnee im Sommer dort oben ist keine Spass! Meine Studien waren am Ende, meine Gesundheit nach drei Monaten Krankenhaus 1971 recht runiniert, mein Gedächtnis war ziemlich ausgebrannt von der grausigen chemisch-mechanischen Behandlung der psychiatrischen Ärzte. Schritt für Schritt musste sich mein Leben neu lernen, bilden und finden. Das österreichische Tal Navis war mir schon seit frühester Kindheit sehr vertraut. In meinem ersten Schuljahr 1954 begannen meine Eltern, Navis im Winter mit mir das erste Mal zu besuchen. Ein katholischer Priester unterhielt nebenberuflich als Wirt mit zwei Haushälterinnen das Gasthaus "Widum" neben der Kirche. Fast alle Jahre wieder reisten wir an diesen geheimnisvollen Platz, an dem mich mein Vater Lesen, Schreiben und Skifahren lehrte. Die Freude zu lesen und zu schreiben, wurde Teil meines Lebens, wurde mir Unterhaltung und Trost, mein bester Freund. Den Vers "du musst dein Leben ändern" hat der Dichter Rilke verfasst. Peter Sloterdijk, geboren 1947, ein Jahr vor meiner Geburt, hat dieses Jahr sein 717-Seiten Werk mit dem Titel verfasst: "Du musst dein Leben ändern." 1972 waren also meine Gesundheit und Studien am Ende. Aber das Leben in der Almhütte mit Frau, Tieren, offenem Feuer, frischem Quellwasser und freier Natur war heilsam. Wieder einmal wurde ein dickes Buch mein Freund:: "Das Tibetanische Totenbuch." Wer sich nicht für seine Geld-&-Machtkarriere krummlegt, muss sich eben mit einiger Fantasie einbilden, auch etwas wichtiges zu tun. Bedeutende Bücher zu lesen, belohnt das Gefühl eigener Bedeutsamkeit. Einige der mich am meisten beeindruckenden Werke waren schon in meiner Schulzeit Gurdjiff's "Beelzebub" und von seinem Schüler P.D. Ouspensky "Auf der Suche nach dem Wunderbaren". Aus den so genannten "Heiligen Schriften" des asiatischen, europäischen und indischen Kulturkreises sollte meine Suche mehr Mysterien dieser Bücher sichten. Bücher wie der Koran, die Upanishaden, der Talmud und auch ein unvergesslicher LSD-Trip mit der erleuchtenden Lektüre von Buddha’s Buch verhalfen mir gleichsam zu der “Göttlichen Einsicht”: Du musst dein Leben ändern! Unvergesslich bleiben auch später die zahlreichen “Rajneesh Bibeln”, die damals schon aus Audiokassetten den geschäftigen Verkehrsalltag beruhigten und beseligten. Von Fantasterei zurück zur Wirklichkeit: Die Gipfel sind gnadenlos! In der Almhütten-Höhe mussten wir sorgsam trockenes Feuerholz sammeln. Meist waren die Morgenstunden bitter kalt; manchmal überrascht Frost die Menschen mitten im Sommer. |
Mein Heim war ein altes Holzhaus mit offenem Feuer....., 717 Seiten: "du musst dein Leben ändern" |
Heute hat Mima's Auto diese komfortable
Gasheizung,
um sich die Füße und den Pelz zu wärmen. Die Sonne küsst zwar die
Berggipfel schon um 6.00 Uhr wach., aber im Auto ist es noch sieben Grad
kalt auf dem Parkplatz in 1400 Metern Höhe. Auf der Alm, 400 Meter
höher, ist es noch ein paar Grad kälter. Als junger Mann mit 24 Jahren und mit meiner jungen Frau mussten wir unser Leben höchst praktisch einrichten, also ändern. Am wichtigsten war das trockene Feuerholz. Wir mussten Wasser für den Morgenkaffee anschleppen und unsere Socken für die Stiefel trocknen. Wir mussten nach den Kälbern sehen, die Ziegen melken und sorgsam auf unsere Gesundheit in der harten Natur achten. 1972 war nur mein Gedächtnis ziemlich verschimmelt von der gruseligen psychiatrischen Behandlung ein Jahr zuvor. Dazu war all mein Vertrauen verbrannt: Das Vertrauen in Autoritäten wie das der Ärzte, das Vertrauen in unsere Staatsbeamten, die den zweiten Weltkrieg mit zu verantworten hatten mit all den Abscheuchlichkeiten einer mordenden Industrie! Meine Liebe für mein Leben musste sich in den Geheimnissen der Berge und der Natur neu finden. Meine Frau war 23 Jahre jung, hatte einen wunderschönen Körper, ein hübsches Gesicht und lange schwarz gefärbte Haare. Sie schenkte mir alle die weiblichen Schätze, die ein Mann für tantrische Lektionen in unserer Almhütte brauchen kann. Doch schon 200 Meter höher war wieder mein Paradies der Einsamkeit mit Kälbern und seltenen wilden Tieren. Dort schürfte mein Verstand in den Buchschätzen, die sich vielleicht im "Tibetanischen Totenbuch" verbargen? Verglichen mit den Studien und der Geld-Karriere meiner Brüder und Freunde war meinem Leben schon eine gewaltige Änderung widerfahren! Mein jüngerer Bruder beendete seine Studien als Lehrer, gründete seine Familie und verdiente Geld. Mein älterer Bruder machte seine erste Million. Aber wir fuhren nach dem Almsommer auf unserem alten Heinkel Motorroller nach Marokko - in die Ferien! |
Doch schon 200 Meter höher war wieder mein Paradies der Einsamkeit .... Dort schürfte mein Verstand in den Buchschätzen... |
Doch mehr und mehr trennte mich von der so
genannten "gesunden Gesellschaft". Die Scheidung von meiner
Alm-Schönheit kam ein Jahr später, 1973.
Dieser Liebesentzug, mit mir allein sein zu müssen, müsste sich mit
vielen Büchern wie von Freud, C.G. Jung, Wilhelm Reich, Marx, Nietzsche, Engels, Goethe, Hoelderlin
doch heilen lassen - vielleicht. Mein Weg aus bibliophilem Ramsch, Rausch und Unglück wurde beinahe schon pathologisch. Die Bücher halfen auch nicht viel, um mit gewöhnlicher Lebensdisziplin wie Arbeit und Geldverdienst mein Leid zu überbrücken. Alle meine Anstrengung warfen sich darauf, Klavier möglichst so perfekt zu spielen, dass mit meinen eigenen Liedern meine garstigen Gedanken in höherer Harmonie erklingen konnten. Es brauchte beinahe sieben Jahre, bis mein erstes eigenes Kabarett-Programm stand. Die Frau, die diese Lieder sang und aufführte, hatte ihre Studien an der Schauspielschule dafür abgebrochen. Sie nützte das Leben mit mir, mit meiner Tochter schwanger zu werden. Die wurde 1978 geboren und starb 30 Jahre später. Nichts konnte meinem geliebten Kind helfen, weder Mann, noch Haus, noch ihr juristisches Staatsexamen. "Du musst dein Leben ändern", war schon der Anspruch meiner ersten Indienreise 1976. Das war ein überaus anstrengender Trip quer durch viele Länder mit Zügen, Bussen, Ochsenkarren, Schiffen und zurück von Bangkok im Flugzeug über Moskau. "Du musst dein Leben ändern", war Ziel meiner Anstrengungen in einer Meditation Klasse des Maharishi Mahesh Yogi in Madras. Das heisst heute Chennai. Diese "Transzendentale Meditation" mit dem allerheiligsten, höchst geheimen Mantra "OOOOINK" hat mein Leben auch nicht groß geändert. Es gab vielleicht eine Ausnahme: Meine neue Ehefrau sang meine Lieder und gebar unsere Tochter. Vielleicht änderte unsere Pilgerreise zum Rajneesh Bhagwan 1980/81 mit Frau und Babytochter unser Leben schneller?! In der Tat, nach kürzesten Jahren mit Bhagwan in Meditation, Gruppen und Festlichkeiten hatte sich mein Leben wieder einmal komplett zu ändern: Mein erfolgreicher Job war aus und vorbei. Meine Ehe und damit das Leben mit meiner herzgeliebten Tochter waren ebenso am Ende. Meine Gesundheit nahm wiederum schwer Schaden mit einer spontan zerrissenen linken Lunge. Das geschah an Vater's Geburtstag am 24. April 1983. Ja, das mysteriöse Leiden setzte sich fort wie ein Schrei: “Du musst dein Leben ändern!” |
Die Bücher halfer auch nicht viel, ...mein Leid zu überbrücken. Ja, das mysteriöse Leiden setzte sich fort wie ein Schrei: “Du musst dein Leben ändern!” |
Bhagwan war Weltmeister in den Forderungen an seine Schüler: "Du musst dein Leben ändern"! |
Meine Glaubensbrüder und -schwerstern
im Geiste Buddha Bhagwans konnten es zusammen mit mir als sogenanntem "Swami"
auch nicht mehr aushalten. Sie befreiten mich von der Last, weiter als Rajneeshs
Propaganda-Clown mit seinem Bild um den Hals Reklame zu laufen. Rajneesh
nannte sein Werbezeichen "Mala". Seine "devoten Disciples"
durften sich mit dieser Mala und in roten Gewändern in unseren grauen
Städten zeigen. Bhagwan war wirklich Weltmeister in seinen
Forderungen an seine Schüler: "Du musst
dein Leben ändern"! Die nächste liebe, kleine Frau, meine jüngste und best Gebildete, half wieder einmal, mein Leben zu ändern. Mit ihr kam endlich meine Berufsausbildung mit einer Prüfung als Datenverarbeitungskaufmann an ein Ziel. Mit dem Examen begann eher eine bessere bürgerliche Position in meinem reiferen Alter von 40 Jahren. Wieder stand es an: "Du musst dein Leben ändern!" Und wo konnte das besser eingefädelt werden als in der nächsten Pilgerfahrt nach Poona, zum Bhagwan? Aber meine neue liebe Lady zog es vor, weiter durch Indien zu reisen als einigeWoche im Ashram zu "worshippen", gleichsam folgsam "Gebetsdiensten" zu frönen. Unsere Indienfahrt ging weiter nach Goa durch andere Teile Indiens bis zum Südzipfel Trivandrum. Meine damals sechs Jahre alte Tochter lebte mit ihrer Mutter in diesem Jahr im Poona Ashram. Meine Tochter war den Ashram auch leid, und so fuhr sie mit uns im Bus von Poona nach Goa. Von dort kehrte meine Tochter mit einer anderen Frau zu ihrer Mutter in den Poona Ashram zurück. "Du musst dein Leben ändern" hieß es wieder einmal, weil an Bhagwans Todestag, am 19. Januar 1990 meine heißgeliebte kleine Frau auszog. So musste wieder einmal eine neue Frau danach sehen, unseren Anspruch zu erfüllen: "Du musst dein Leben ändern". Fünf Jahre später mit einer Indienpilgerreise mehr zu Poonjaji hatten wir unser Leben genug geändert. Das nächste Mal änderte sich das Leben mit meiner Mimamai, der Frau mit dem tiefsten Verständnis und bislang längsten Leitung für mein Herz. Seit vorletztem verregneten Wochenende begleitet mich Peter Sloterdijk mit seinem Buch "du musst dein Leben ändern" als mein bester Freund - neben meiner Frau. Vermutlich kommt bald eine Englische Übersetzung, weil das Buch eines der Kostbarsten aller Bücherfreunde ist- ein besserer Freund als die meisten anderen. Peter Sloterdijk verbindet nahezu 3000 Jahre Geistesgeschichte in physisch-psychischer Prägung. Der Philosoph eröffnet ein tieferes Verständnis für all die Streitigkeiten und Kämpfe in meinem Leben um tieferen Frieden und höhere Freiheit. Sloterdijk - Dank! |
So musste wieder eine neue Frau unseren Anspruch erfüllen: "Du musst dein Leben ändern". |
Die 'Existenz' hat mein Leben
mittlerweile in einer Art und Weise verändert, dass diese gnadenlosen
Gipfel mehr und mehr aus meiner Erreichbarkeit rücken. Mein alter Körper
hält ohne besseres Training die Sonne einfach nicht mehr aus. Sonne und
Anstrengung beginnen, mir rasenden Kopfschmerz zu machen und drehen mir
mehrmals den Magen um. Als Almhirte 1972 fuhren meine Frau und ich auf unserem alten Heinkel-Motorroller, der in Mima's Geburtsjahr1959 gebaut wurde, an sonnigen Tagen noch nach Innsbruck. Wir kamen zu unserer Almhütte am späten Nachmittag zurück. Die Ziegen standen nahe am höchsten Gipfel in etwa 2400 Metern, um die letzte Abendsonne zu genießen - vom Tal aus mehr als 1000 Höhenmeter entfernt! In den Jahren waren meine Beine und Lungen noch stark genug, um diesen “Ziegenbiestern” nachzurennen, sie in ihren Stall heim zu treiben, sie zu melken und mit Salz und Haferkleie zu füttern. Doch diese Art von “Berg-Bock-Sprünge” sind mir mittlerweile unmöglich, doch immer noch klingt es in und außer mir: "Du musst dein Leben ändern." Bitte lest auch Peter Sloterdijk, um mehr den Grund zu sehen, warum dieser Wechsel unausweichlich wird - auch für andere - und hoffentlich wird es nicht gleichermaßen qualvoll, Euer Leben zu ändern. |
Doch diese Art von “Berg-Bock-Sprünge” sind mir mittlerweile unmöglich.... |
n0by und Resi, Sennerin am Samstag 25. Juli 2009