Bulgarien - Griechenland.... |
Die Wunder der Reise wirken. Die Sinne erleben entspannter die Eindrücken. Der Körper hat sich der Hitze etwas angepasst. Zudem verlassen wir Griechenland in Richtung Albanien über einen 1600 Meter hohen Pass. Dort oben sinkt sogar mittags die Temperatur unter 20 Grad Celsius. Im Winter herrscht dort Skibetrieb. Wichtiger für meine Frau: Am Sonntag ist sie Oma geworden.
von Erhard Thomas oder n0by mit Null |
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Die Grenzkontrollen zwischen Griechenland und Albanien sind beschwerlich, weil sie Zeit kosten. Leichter lässt es sich warten, wenn man in der Schlange zu den Hallendächer aufrückt. Denn die Dächer spenden Schatten. LKW mit laufenden Kühlaggregaten lärmen. Immerhin sind die Straßen vom Grenzort Bilishi über Korce nach Pogradec überraschend gut. Kostete in Griechenland der Kaffe noch 1,50 Euro, reichen in Albanien dafür 35 Cent. Wir genießen das Getränk, während sich zwei junge Leute abmühen, den "Weißen Wal" erstmal nach sieben Wochen zu waschen. Sie arbeiten länger, als wir warten wollen und verlangen für die Mühe 1,50 Euro. Selbst wenn sie fast das Doppelte vom Verlangten erhalten, sind sie nicht froh. Welten liegen zwischen dem, der Autos wäscht, und dem Touristen, der dabei seinen Kaffee schlürft und zusieht. Doch einige winken zurück, als wir den Ort verlassen. Der Campingplatz hinter Pogradec liegt am sauberen See, in dem auch wir uns mit vielen Fischen tummeln. |
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Die Armut ist fühlbar. Der Abstand zwischen den Touristen in ihren fahrenden Festungen mit gefüllten Schatzkisten und der Bevölkerung ist fühlbar. Meist sind Antworten auf Preisanfragen von misstrauischen Blicken begleitend. Ohne Handeln und Nachfragen erhält von mir jeder seinen geforderten Preis. Manchmal huscht dann ein erleichtertes Lächeln über das Gesicht. Die Chefin vom Campingplatz hat uns das vegetarische Abendessen so zubereitet, wie es bei allen Verständigungsschwierigkeiten gut ging. Sie schreibt ihre Rechnung mit allen einzelnen Posten mit der Hand. Meine Bezahlung mit Trinkgeld nimmt sie lächelnd entgegen. Nach Mitternacht weckt uns ein Lastwagen, der etwa eine halbe Stunde neben uns rangiert. Endlich hat er seinen Platz gefunden. Lärmend fahren die beiden jungen Leute noch im Heck und an der Seite schwere Vorbauten aus, entladen ebenso geräuschvoll einen alten Motorroller über eine Holzrampe. Diese liegt über der ausgeklappten Hecktreppe. Zudem tollen noch drei Hunde, zwei Mopse und ein Schäferhund, um die nächtliche Idylle. Meine Nachtruhe ist damit erstmal beendet. Zudem ist die Straße über dem Campingplatz nachts weitaus stärker befahren als am Tag. Weil die LKWs sie nicht gleichzeitig passieren können, signalisieren ihre Hup- und Blinkzeichen die freie Fahrt. Irgendwann erlöst mich doch noch der Schlaf. Aber wir wollen dort nicht mehr bleiben. Keine 20 Kilometer weiter überwinden wir die Grenze zu Makedonien ohne weiteren Aufenthalt. Wir bleiben eine weitere Nacht am Ohrid See, fast auf der gegenüberliegenden Seite von unserer letzten Nacht in Albanien. |
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Blick über den Ohrid-See von Albanien nach Makedonien
Mima ist Sonntag Oma geworden. Die genetische Kette zwingt sie
zusehends schneller heim. Es sind noch etwa 1600 Kilometer bis München.
Schon diese weitere Nacht in Makedonien am Ohrid-See nimmt sie mir übel. Das Wasser
ist klar und warm. Scharen von Menschen vergnügen sich am Badestrand.
Die Menschen lärmen auf Jetstream- und Außenborder-Booten über den See.
Mima beklagt sich über die Menschen und den Lärm und will nur noch nach
Hause. Ihre Arbeit und ihr Enkelkind werden weit wichtiger als sonnige
Badetage am See. Passend zur Stimmung grollt das erste Gewitter über
uns. Es ist der Tag, als der Regen kam, heiß ersehnt und lang erfleht.
Doch es fallen nur so wenige Tropfen, dass die Fensterluken weit offen
bleiben. Das ist auch gut so, denn 28 Grad im Wagen sind mehr als genug.
Also geht es morgen Richtung Heimat. Mir fehlen etwa noch zwei Wochen,
um die Reise vergnüglich zu beenden. Aber wer mit einer Frau lebt,
spielt meist nach ihren Regeln. So ist das Leben eben. Jedenfalls meins. Schlaflosigkeit zwingt, sein Sein sich sinnvoller zu füllen. Mann ist auch allein fähig zu fahren, soweit die Kraft des Geldes und der Gedanken reichen. Meine Devisen langen für den Diesel, das Essen, die Stellplätze, wenn die überhaupt Geld kosten. Doch die Straßen sind gefährlich und erfordern alle Kraft. Vielen Straßen in Albanien oder Mazedonien fehlt ein Randstreifen. Wer rechts in den Abgrund rutscht, fährt sein Auto zu Schrott. Billiger ist es, sich vom Gegenverkehr den Außenspiegel rasieren zu lassen. Überholt der Fahrer im Gegenverkehr einen Eselkarren, bremst Du besser, als auf Deinem Recht der Vorfahrt zu beharren. Wer in den Kreisverkehr schießt, ohne Deine Vorfahrt zu beachten, den lässt Du fahren. Der Gegner im Kampf um mehr Meter, spürt schon Dein Zögern. Der Kampf um jeden Meter ist wie der um jeden Dinar, um jede Leva, gnadenlos. Geldscheine sind meist schmutzig und abgegriffen. Das passt zu den meisten Toiletten. Weil Abflussrohre schon durch Papier zu verstopfen drohen, entsorgt man besser sein Toilettenpapier in Eimern neben der Schüssel. Mit Glück hockt man sich auf ein Loch im Abtritt, was besser ist, als sich auf eine Porzellanschüssel ohne Brille zu setzen. Wer im Freien zeltet oder steht, nutzt das Buschklo. Papier und Fäkalien spült irgendwann der Regen ins Meer. Reisende berichten, dass die Strände im Norden von Albanien zu Plastikmüllhalden verkommen. Plastikmüll beweist, dass viele Menschen die Produkte der Industrie nicht richtig verwenden können. Ein Pfandsystem auf Verpackung würde Wunder wirken. Wo Arbeit Cents statt in Euros kostet, da schafft eine Pfandverordnung saubere Verhältnisse. Doch wie reiche Touristen mit Tonnen von Kohlendioxid den Planeten verpesten, so schmeißen andere sackweise Müll an den Strand. Hunde stöbern im Abfall nach Futter, was den Plastikschrott weiträumiger verteilt. Schlussendlich landen die aufgebrochen Plastikmoleküle in den Fischen. Der Mensch verspeist diese mitsamt dem Gift im Fisch. Die Gesundheitsindustrie gewinnt so neue Kunden mit Krebs. Der Körper meiner Tochter hatte mit 30 Jahren schon ausgedient. Meiner hält dies alles noch aus. |
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Die Fahrt durch Mazedonien ist traumhaft schön. Die Straßen meist frei,
kaum Verkehr. Die kurvige Bergstrecke ist gut ausgebaut, in
den Steigungen oft dreispurig. Die Temperatur ging sogar auf 14 Grad
zurück. Feuchtigkeit schlug sich auf der Frontscheibe nieder. Saubere,
kühle, klare Bergluft erfrischt. In schneller Fahrt geht es heimwärts.
Meine Frau entspannt sich, obgleich unsere Stimmung nach der
letzten Nacht gespannt bleibt. Es ist Mittwoch, der 30. August, gegen 11.00 Uhr. Hinter Skopje wird das Land flacher. Mima übernimmt auf der Autobahn das Steuer. Ermüdet döst mein Körper in der aufsteigenden Mittagshitze. Sie fährt gleichmäßig etwa mit 90 km/h. Ruhig brummt der satte Diesel. An der letzten Tankstelle vor der serbischen Grenze in Kumanovo überholt uns ein VW Bora. Der Fahrer schneidet uns die Vorfahrt, will vor uns noch in die Ausfahrt zur Tankstelle. Er zieht so knapp in unsere Spur, dass unsere rechte Vorderfront sein Heck anstößt. Es knallt. Vollbremsung. Die Reifen lassen Gummi auf dem Asphalt. So kommen wir auf der Autobahn zum Stehen. Der Unfallgegner steht nach seiner Vollbremsung in der Einfahrt zur Tankstelle. Lange Bremsspuren beweisen die Fakten. Der Unfallgegner begutachtet seinen Schaden, will gleich weiterfahren, weil er seinen Schaden als Bagatelle ansieht. Wir stellen uns vor sein Fahrzeug, hindern ihn an der Weiterfahrt, versuchen die Polizei zu verständigen. Der Unfallgegner gestikuliert mit Brocken von Deutsch märchenhafte Stories, dass er sich dreimal gedreht habe, wir die Schuldigen wären, seine Frau verletzt sei, und dergleichen Geplapper mehr. Die Polizei rückt nach einer Weile mit zwei Streifenwagen und vier Mann an. In der Landessprache gestikuliert unserer Unfallgegner wortreich vor den Beamten. Vermutlich will er auch den Polizisten Lügen auftischen. Doch die Unfalllage sei klar, erklärt ein Beamter, der etwas Englisch spricht. Der Unfallgegner hat uns geschnitten, was die Polizei ihm endlich auch klar macht. So überlässt er uns widerwillig seine Personalien, Versicherungsnummer und beteuert, dass seine Versicherung den Schaden übernehme. Sein Wohnort ist in der Schweiz, Kennzeichen und Versicherung ebenso. Unsere Reise ist gelaufen. Der Druckbehälter für den Bremskraftverstärker ist zerbrochen. Das Gerät für die Motorsteuerung ist aus der Plastikhalterung ausgebrochen. Die Bremse spricht erst auf großen Pedaldruck an. Leuchtanzeigen im Tacho melden "Motorsteuerung defekt". Das Fahrzeug fährt nicht mehr schneller als 80 km/h. An Steigungen auf der serbischen Autobahn müssen wir auf der Kriechspur hinter den Schwerlastwagen schleichen. Von Mazedonien auf Höhe der albanischen Grenze schaffen wir es am selben Tag noch nach dem Unfall bis hinter Belgrad. Die Betonwüste der Stadt mit einigen eindrucksvollen Hochhäusern bringen wir bei Einbruch der Nacht hinter uns. Wir finden mit einigem Glück den Campingplatz Dunava hinter Belgrad, wo Mima nächtens etwa fünfzehn bis zwanzig Mücken jagt und erlegt. Morgens blicken wir auf die Donau und setzen bei Tagesanbruch die Fahrt in Richtung Ungarn fort. Dort, in Szeged, der ersten Stadt nach der serbischen Grenze, finden wir unter Bäumen bei 34 Grad Hitze einen Platz zur Mittagsruhe. Eine VW-Werkstatt in Szeged hat keine Ersatzteile für den Crafter und verweist uns nach Budapest. Mit Aufkommen der ersten Abkühlung fahren wir 46 Kilometer noch nach Kiskunhalas. Dem Campingplatz ist ein Thermalbad angeschlossen. Wir entspannen. Noch 842 Kilometer bis nach München. |
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Die erste Hilfe nach dem Unfall hinter der mazedonischen Grenze
bekamen wir in Serbien. Der Mechaniker zog den zerstörten Druckbehälter
aus dem Wagen. Er gab uns den Rat, weiter zu fahren. Der ADAC gab
die Auskunft, dass unsere Basismitgliedschaft im Ausland nicht weiter
hilft. Nach Bad und Nacht in Kiskunhalas rufen wir wieder beim ADAC an,
buchen gleich die erweiterte Mitgliedschaft und bitten um Rückruf. Wir
wollen erfahren, wo die nächste Werkstatt ist und was ein Rücktransport
kostet. Die nächste Werkstatt ist 20 Kilometer weiter in
6230 Soltvadkert. Der Mechaniker dort besieht sich den Schaden, verstopft die
Luftleitung, welche in den zerstörten Druckbehälter führt, und lässt uns
weiter fahren. Die Bremse arbeitet wieder. Die beiden Warnlichter im
Display wie "Motorsteuerung und Abgasanlage defekt" verlöschen.
Der Weiße Wal spurtet wieder bei leichtem Druck auf das Gaspedal. In
weiteren acht Kilometer finden wir in Kiskörös wiederum ein Thermalbad mit
angeschlossenem Campingplatz. Wir feiern die Reparatur und denken den
den 33. Geburtstag meiner Tochter, die am 23. Januar 2009 gestorben ist. Wir sind bald 650 Kilometer glücklich durch Mazedonien, Serbien und Ungarn ohne Bremskraftunterstützung gefahren. Den letzten 850 Kilometern sehen wir jetzt weitaus entspannter und glücklicher entgegen. Zudem bietet Ungarn gegenüber den mit Plastik, Abfällen und Blechdosen vermüllten vorigen Ländern eine Oase der Ruhe und Ordnung. Und so reihen sich hier auch auf unseren letzten beiden Camping-Plätzen mit angeschlossenem Termalbädern freundliche Rentner mit E-Bikes, soweit sie noch rüstig sind. Kläffende Köter, Bayerische Nationalflaggen bis hin zur Oma mit Laufwagen runden die Idylle ab. Junge Leute haben uns oftmals mit Techno-Beat genervt, gestern beschallten die Rentner ihre Wagenburg mit Volksmusik à la Musikantenstadel. |
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Nachdem nun der Wagen wieder brauchbar bremst, genießen wir Kiskörös
in vollen Zügen. Das Weinfest eröffnet gerade mit bunten Buden. Meine
Frau kauft, wie in Constanta, Holzspielzeug vom Markt, was ihren
Weihnachtsmarkt dann in Bamberg bereichert. In bewegenden Ansprachen
verteilen Honoratioren Ehrenurkunde. Mich wundert, dass ein Mensch diese
Reden versteht! Sehr junge Mädchen tanzen zur Blasmusik. Eine Bude
verkauft Probiergläser mit Tickets zu 100 Forinth. Bei etwa zwanzig
Buden in der Weinstraße lassen sich diese Tickets gegen Weinproben
einlösen, die das mitgebrachte Glas mit der Sorte Deiner Wahl Dir
füllen. Mir reichen schon drei solcher Proben. Zwei Flaschen
schmackhafter Rotweine schleppen wir auf unseren Fahrrädern zum nahen
Campingplatz. Es dunkelt nun schon gegen acht Uhr abends. Wir schlafen früh. Die Reise ist nun lang genug. Vor dem Reparatur-Termin am Mittwoch in Fürstenfeldbruck muss noch ein Gutachter das Fahrzeug sehen. Hoffentlich hat der mazedonische Unfallgegner, der in der Schweiz wohnt und auch dort sein Auto versichert hat, seine Prämien bezahlt. Das zu regeln, sind Gründe genug, heim zu fahren. Es war uns lange, lange warm, mehr als warm genug in unserer kleinen bunten Wunderwelt. Herbst und Winter können kommen. Die Heimfahrt am Sonntag begann nach dem Morgenbad in Kiskörös. In kurzen Pausen in Ungarn und Österreich duschen wir uns mit der Borddusche. Die Hitze steigt auf 34 Grad. Erst am Abend in Deutschland wird es kälter. Erste Regentropfen begrüßen uns in der Heimat. Dankbar und geduldig schleichen wir in der Schlange von 25 Kilometern zähflüssigem Verkehr auf der Autobahn Salzburg nach München heim. Leider ist der Tatort schon gelaufen, als wir endlich daheim ausladen. Dabei fallen vom Himmel kübelweise Wassereimer als kalter Regen. Doch Stau auf der Autobahn und Regen tragen wir nun mit Leichtigkeit, froh wieder gesund und glücklich daheim zu sein. Rotweinflaschen, Honiggläser und Reisebegleiter türmen sich gleichsam mit den Münzen und Scheine fremder Währungen, die wir nun in Kisten, Kästen und Schubladen verstauen. |
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