Berufsleben bedingungslos beendet
oder
Eine Generation schafft sich ab
So müssen sich die meisten Menschen gefühlt haben, als der Zweite Weltkrieg endlich, endlich zu Ende war. Ihre Welt lag in Trümmern. Menschen, ihre Liebsten, waren tot. Freunde verstummt. Doch das Leben setzt neu auf, wie nach dem Neustart eines Rechners.
Die Frage: Wieso demonstriert sich jemand dergestalt dramatisierend, belästigt die lieben Leser mit billigen Buchstaben? Die Antwort erhofft sich zumindest der, der schreibt. Diesen Text diagnostizierende Hobby- oder Profi-Terrorpeuten wissen ohnehin über sich und andere bestens Bescheid, bevor sie etwas gelesen oder gehört haben. Wer Experte ist oder werden will, übt sich in arroganter Allwissenheit weit über sein Fachgebiet hinaus. Nach mehr als 20 Jahren Arbeit als PC-Redakteur kann der Leser sich von von meiner Experten-Meinung davon selbst sein Bild machen.
Erstmal ist simpel Fakt, dass nach 20 Jahren und sieben Monaten und elf Tagen
mein Job am Schreibtisch endet. Dass mir diese schier endlose Zeit als
angestellter Redakteur vergönnt war, ist zum einen meiner hart andressierten Ausdauer und zum andern dem Mühen erstklassiger Autoren zu verdanken. Denn diese
Autoren haben monatlich
termingetreu Fachbeiträge ersonnen, geschrieben und geliefert, die gedanklich und fachlich weit mein
mentales Niveau
überstiegen. Diese
Fachbeiträge veröffentlichte zuerst das Magazin
DOS International.
Ein guter Engel muss mir geholfen haben, meine Arbeitskraft diesem aufstrebenden Medium ab dem 19. Oktober 1990 als Redakteur anzubieten und zu verkaufen. Die Investition eines edlen, neuen Anzugs für das Vorstellungsgepräch machte sich schnell bezahlt. Oktober1990: Bewerbungsfoto mit neuem Anzug und im Vorstellungsgespräch meinen Traumjob als Redakteur gewonnen |
1991: In den ersten Jahren machte mir meine Rubrik "Die Hackerbrücke" den meisten Spass. 12.12.1997: Nach 91 Jahren erfüllte Vater sein Leben in der Familientradition Preußischer Beamter |
Hunderte meiner Seiten in Schülerzeitungen, als
Fluch-Schriften der 68er-Revolte und im Web plagen, ärgern, langweilen und
unterhalten Leser bestenfalls, mich entlastet aber meine Schreibarbeit nervlich - bis heute. Doch endlich, ab dem 19. Oktober 1990, zahlte mir
ein gütig sorgendes
Schicksal Schmerzengeld, mich Monat für Monat gleichsam als IT-Messias
aufspielen zu dürfen - zwar nicht
immer so, wie es mir gefiel, dafür wohl mehr dem Leser. |
1972: Schon als Almhirte mehr Wörter geschrieben als geredet |
Nun gehört ab dem 26. Mai 2011, nach endlos lang ersehnter Zeit, nach mehr als 20 Jahren, nun gehört der Tag mir, mir allein! Keine Chefs mehr, die mir mit den Jahren zunehmende Freiheit ließen, keine Langeweile, kein Stress mehr am Schreibtisch. Keine kruden Konferenzen quälen mich mehr, die mich mit sauer-sanft säuselnden Sermonen meist schon nach fünf bis zehn Minuten den Schlaf der Gerechten suchen und finden ließen. Nun surren mir nicht mehr wie von Fliegengebrumm widrige Wichtigtuer-Wörtchen in den Ohren. Kein aufgeblasener Gockel muss mir sein wertiges Wissen vom Mist mehr krähen, besser als alle andere sein Thema zu penetrieren. Nun wird mich aus meinen Alpträumen in diesen Konferenzen kein Kichern, kein Krach, kein Keifen mehr schrecken. Seit mehr als zehn Jahren grauste es mich wie den kranken Knaben in Goethes fiebriger Fantasie seines Erlkönig, halbwegs unbeschadet die Nebel offensichtlicher öffentlicher Unwissenheit oder bemühter Besserwisserei zu durchdringen. Dazu hing immer über mir das Damokles-Schwert, zu einem Artikel verdammt zu werden, der mich um meinen letzten Rest von Schlaf und Freizeit gebracht hätte. Doch selbst in dieser höchsten Not war stets noch das Rettende mit einem fach- und sachkundigen Autor so nah. All das ist vorbei - gut so. |
2002: Mein Schreibtisch im Job |
Vom beengenden Büro in die Weite Wunderwelt
Doch auch köstliche Konferenzen und prassende Pressereisen haben
mir geholfen, mich über die Jahre zu retten:
Las Vegas 1991,
Taipeh 1995, Oslo 1994, Venedig 1997, Paris 1998, New Orleans 1999.
In illustren Veranstaltungen priesen eloquente Pressesprecher ihre
Neuigkeiten an. 1990/91 übertrugen Akustik-Koppler, welche über die Telefonhörer
gestülpt wurden, gerade einmal 300 Bit/Sekunde. Mein erstes Modem DBT03
der damaligen Deutschen Bundespost brachte mir 1990 die Daten mit
sensationellen 1200 Bit/Sekunde auf den PC. Zurück stolperte mein
Text-Tippen mit 75 Bit/Sekunde, wobei jeder Buchstabe acht Bit
plus Start- und Stopp-Bit beanspruchte. |
2009: Meine Frau verkauft Erdbeeren |
2003: Meine Frau Stephanie, meine "Mimamai", nimmt von ihrer 84jährigen Mutter
Abschied.
Nun kommen im Mai 2011 Gefühle froher Frühlingsfreiheit wie nach langjähriger Gefangenschaft auf. Jetzt
nur bedachtsam leben, den Körper sich erhalten, die Lebensmittel, also die
Mittel zum Leben, seine Organe, Muskeln, Knochen verhalten nutzen, Zähne putzen, den Verschleiß aufhalten.
Der ist dennoch spürbar mit jedem Atemzug, jedem Herzschlag, jedem Augenblick.
Nur nicht den vorprogrammierten Verfall dramatisieren, aber sich auch nicht in unantastbare Unsterblichkeit fantasieren. Realistisch bleiben, zuversichtlicher
werden: Ein Neues Leben beginnt! Nicht nur so zaghaft jubeln: Das Neue Leben beginnt! Wenigstens will der Rest in mir, was
mein ausuferndes Arbeitsleben und der Zahn der Zeit an Energie in Reserve gelassen hat, wenigstens will
dieser reservierte Rest noch etwas erleben, etwas weiter leben. Fragt sich: Wie? |
2003: Prost auf den gemeinsamen Lohn häuslicher Zugewinngemeinschaft in meinem ersten Wohnmobil mit Gasheizung VW-Carthago-Malibu-TDI-LR |
Wohl wenige Menschen verstanden im Lande, was ihnen Autoren erster Güte mit meiner Arbeit Monat für Monat an Fachartikeln vorsetzten. Mehr musste ich nicht mehr werkeln und wirken, als diese trefflichen Experten-Texte „dem Stil des Hauses anzupassen“. Das wurde mir im Laufe der Zeit eine der „leichtesten Übungen“. Diese Übung wurde mir zudem erleichtert, dass sich meine Finger schon ab etwa 14 Jahren daran gewöhnt hatten, blind auf den Tasten von Schreibmaschinen zu klappern und zu klimpern. Diese Kunstfertigkeit zu erwerben, war mir eine Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit entstand aus meiner zunehmenden Sprachlosigkeit mit den mich umgebenden Autoritäten wie auch mit den Strebern, welche ebensolche Autoritäten werden wollten und vielfach auch wurden. Kurz und schlicht: Die einlaufenden Texte dem „Stil des Hauses anzupassen“, fiel mir leicht. Schon 1962 kaufte ich meine erste ausgemusterte Schreibmaschine für 20 Mark, später schenkte mir ein mildtätiger Mensch seine Reiseschreibmaschine mit dem schmiegsamen Namen „Erika“ im Hartplaste-Koffer. Heute texten meine Finger wie im Flug zum Zeitvertreib auf meinem Netbook. Dieses klappbare Schreibgerät verbindet sich mit dem Stromnetz daheim oder im Auto und sogar mit dem Internet, sofern das Funknetz mit persönlicher Vorkasse eine Verbindung erlaubt. Die Tasten des Netbooks klappern kaum mehr. Ameisen emsig krabbeln geschmeidige Finger über die Tastatur, welche immerhin seit diesen mir verflogenen 40 Jahren Schrei- und Schreibarbeit ihre Anordnung nicht geändert hat. Wenn Werte wie Postleitzahlen von vier auf fünf Stellen wachsen oder die Währung von Mark zum Euro wandert, dann lässt sich das umso schwerer verarbeiten, je älter der Mensch wird. Zumindest die Namen meiner mich wechselnden Lebensabschnittspartnerinnen bleiben mir bislang unvergesslich. Ach ja die Frauen! |
1995: Hunderte von Seiten wie meinen Indien-Bericht tippten meine flinken Finger in diesen PSION-Palmtop |
Der Alte Mann, die Frauen und sein Kind
James Brown balzte beredt: "This is a man's world, But it wouldn't be nothing, nothing without a woman or a girl." Das Leben gab mir beides, wechselnde Frau und mein einziges Mädchen, und nahm mir es wieder meine Tochter. Die neckte mich noch schalkhaft als examinierte Volljuristin mit Sätzchen wie : "Jetzt hast Du soviel in mich und meine Ausbildung investiert wie andere in ihr Haus." Ja, die Kleine war ihre 30 Jahre lang und ihr Vierteljahr mehr vom 2. September 1978 bis zum 23. Januar 2009 mein Herzensglück und meine Freude. Sie lehrte mich mehr, als ich ihr geben konnte. Doch auch ohne sie, schleppt sich mein vom Schicksal beladenes Leben weiter ohne zu zögern, zu zaudern, zu zagen - sogar manchmal heiter. |
1980: Vater und Tochter schlafen erschöpft beim Teeverkäufer in Poona |
Das Kapitel vom Alten Mann und den Frauen klingt zunehmend friedlicher in mir.
Das Kapitel von meinem Kind bleibt traurig wie traumverlorenen als „Suche nach der Verlorenen Zeit“. Mit der programmatischen
Proust Prosa hat dieser Poet sich von 1909 bis 1922 die Zeit vertrieben.
Immerhin schreiben sich leichter Sätze aus dem Herzen, als mit Wind,
Wetter, Sonne, Staub und Schmutz kämpfen zu müssen. Wen das Leben zwingt, Steine aus Felsen zu
stemmen, muss eher noch sein Brot mit Blut, Schweiß und Tränen brechen. Wer
schreibt, kämpft sich kunstvoll an seinen wie den Neurosen der lieben
Mitmenschen ab. Der Tod endet tonlos triste Auslassungen Gedanken verlorener Wörter.
Glücklicher Begnadete beglücken sich und begeistern Leser mit schmeichelnden Scherzen.
Dafür bezahlen Leser Sermone
sinnvoller Schwatzhaftigkeit besser: |
Memento Mori wie in Wasserburg meiner Kollegen Alois, Wolfhard, Bernhard und Wolfgang |
Damit und dergleichen mehr hat sich der
Comic-Zeichner Wilhelm Busch als „Klassiker des deutschen Humors“ geadelt.
Heute begeistern Größen wie Helge Schneider mit seiner Hymne wie vom „Katzenklo“ das Publikum
oder Otto stürmte mit friesischen Flachwitzen die Charts.
„O tempora, o mores" beklagte schon Cicero den Verfall der Sitten.
Mit diesen vier Worten säuselte sich der Politprofi Cicero in den Sprachschatz des
bellenden Bildungsbeißers. Dieser bescheinigt mit grau-greiser Verbitterung den
Dummen Jungen blühende Blödheit. Doch weil selbst schon mahnende Blicke
besoffene Jungbullen auf fetten Weiden zu gemeingefährlichen Angriffen
anstacheln, verschweigen Ältere ihre wertende Wahrheit im Herzen.
Alte hoffen, dass selbst diese bunt tätowierte Brut irgendwo bei Brot und
Lohn zu sich selbst findet, auch um Renten im Generationenvertrag zu zahlen.
Krankheiten, Kriege und Katastrophen, welche
den hoffnungsvollen Nachwuchs zu
Besserem belehrt, haben Ältere meist hinter sich. Zudem zwingen junge Triebe,
sich fortzupflanzen.
Wer zu früh kommt, den straft das Leben,
nach Partnerwahl, Begattung, Befruchtung und Reproduktion, die
Brut und die Alten zu versorgen. Wer wie Berlusconi oder
Strauß-Kahn mit 60, 70 Jahren noch süchtig seinem Sex verfällt, mehrt den Spott
auf eine abgeschaffte, abgeschlaffte Generation schmutziger alter Männer. |
2010: Meine Frau Mima freut sich immer noch über mich. |