Durch Transilvanien bis Sibiu |
Englands Politiker setzen 16.000 Polizisten gegen ihr
revoltierendes Prekariat ein, lesen wir im Internet. Im rumänischen
Hinterland lagern wir auf
einer Dorfwiese. Wir holen uns Wasser
von der Quelle. Die Dorfbewohner füllen dort wie wir ihre Eimer und
Flaschen. In ihren Hütten fließt anscheinend kein Wasser aus dem Hahn
wie in unseren Autos.
Abends treiben Hirten ihre Schafe und drei Milchkühe an unseren Autos
vorbei über die Wiese, die bei uns weiden. Dann treiben sie ihr Vieh
Bedachtsam bedachtsam über die
Straße in die Ställe bei ihren Hütten. Mit einbrechender Dämmerung flackern Fernseher
hinter ihren Scheiben im Dorf.
von Erhard Thomas oder n0by mit Null |
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Erst jetzt beginnt die Reise richtig, wo meine liebe Frau mit ihrem
wunderbaren Lachen mich, uns begleitet. Meine Nächte werden gleich
friedlicher, länger und ruhiger. Der Tag wird freundlicher. Düstere
Stimmungen über die sich zum Krieg, zumindest zum Wirtschaftskrieg sich
zuspitzende Weltlage hellen sich auf, verfliegen teils ganz. Da fällt es
mir irgendwann wie Schuppen aus den Haaren: Das ist ja unsere
Hochzeitreise! Ja, wenn wir nicht schon 15 Jahre lang kennen,
schätzen und lieben gelernt hätten, würde die Teufelchen der
Begierden in den Transsilvanischen Karpaten schon noch einmal reizen, ihr
in ihr weißes, in Lust zurück gebogenes Hälschen zu beißen und schlürfend
ihre weiche, schweißperlende Halshaut einzusaugen, bis blühende
Blutergüsse wie Rosenblätter morgens von der Lust der Nacht beredt
berichten. Aber ach, "August, August, wo sind Deine Haare, Deine
Goldnen Jahre" verklingt das Lied der Lust sanft in der milderen
Abendsonne des Alters. So soll das Thema sanft verklingen, von dem zu
gern sonst alle singen. Trotz ihrer 22stündigen Busfahrt von München nach Sibiu ist meine tapfere, junge Frau morgens wieder fit und froh, die Reise fortzusetzen. Wir wandern gemeinsam noch wundernd durch dies strahlend, sonnige Sibiu. Dies hat sich im Geschäfts- und Touristenviertel zu vielfach blühend renovierter Pracht entwickelt. Den Hauptplatz vor der Kirche ziert eine Bühne, welche abends Musiker bespielen. Vor der Bühne schalten sich periodisch Wasserfontänen an, durch welche spielende Kinder voller Lebenslust rennen. So kühlen sich die Kleinen kreischend in ihren sonnenheißen Kleidern. Andachtsvolle Stille hingegen durchzieht am Platz das schattige Kirchenschiff, in deren poppig bunten Glasfenstern sich schillernd die Sonne bricht. Gleich zwei Fenster erinnern an den ewigen Kampf des Bösen, Finsteren, Furchtbaren gegen das Frohe, Fruchtbare, siegreiche Starke. Hallelujah, wie fliegen meine Empfindungen auf zu den sieben Sonnen-Sternen satter Selbstsicherheit! Eine ähnlich tiefe schattige Stille finden wir wieder in der Hauptpost. Wohl dem, der dort arbeitet, sein Weg zur Seligkeit scheint vorgezeichnet. Hallelujah ein weiteres Mal! |
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Sibiu, 11.15 Uhr |
Was sind schon Grazien aus Steinen, wenn Lebende schwingen die Beine? |
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Wir sehen fast nur rumänische Nummernschilder von recht guten
Fahrzeugen, welche sich die Passstraße hochwinden. Etwa zwei, drei
Kilometer vor dem Gipfel stoppt der Verkehr. Danach quälen wir
uns in etwa 50 Meter kurzen Teilstücken zum nächsten Stopp. Und
wieder üben wir Anfahren am Berg, als ob Fahrlehrer ihre Schüler
schikanieren. Einen entgegenkommenden
Fahrer mit deutschen Kennzeichen kann ich fragen: "Was ist denn da los
oben?" "Nichts", lautet die lakonische Antwort, "nichts, einfach nur
Markt!" Na toll! Also weiter im Kräfte und Material verzehrendem Kriechgang: Kuppeln, Schalten, Fahren, Halten. Dann tauchen die ersten Fahrzeuge am Fahrbahnrand auf, gerade als ein Halteverbotschild anmahnt, 1,6 Kilometer dort eben nicht zu stehen. Die letzte Strecke gewinnt noch an Reiz, weil sich Busse durch die beidseitig parkende Blechlawine pressen. Manchmal müssen wir dabei die Seitenspiegel einklappen. Ein Fahrer quält seinen neuwertigen VW-Passat so über die Wasserrinnen am Rand, dass das Fahrzeug das rechte Hinterrad hebt wie ein Rüde sein Bein am Baum. Als der Wagen dann gerade glücklich ohne aufzusetzen steht, steigen fröhlich lachende Frauen aus. Zu meinem Erstaunen drängen sich an der Passhöhe dann ein paar Budenverkäufer im Dunst der Abgase, die unermüdlich geräucherte Käseräder, Speckseiten, Bretzeln und Schnitzwerk nach Landesart mit einem Staubbesen von Schmutz befreien. In dem Gewühl zu parken, ist für uns ausgeschlossen. Glücklich schieben sich unsere schwere Gefährte wieder in flachere Gefilde, um nach den Strapazen einen Nachtplatz zu finden. Den finden wir an der Talsperre Cumpana. Nach einem schlüpfrigen Lehmweg von etwa sechs Kilometern kommen wir an ein Zelt-, Wochend- oder Urlaubslager, welches außer uns nur Rumänen bevölkern. Auch wir sammeln einige bescheidene Äste aus dem Wald, während die Einheimischen sich mit einer Stihl-Kettensäge gleich ganze Stümpfe schneiden. Deren Lagerfeuer sprüht Funken Meter hoch in die abends feuchte Landschaft. Wir wärmen uns nach einem Bad im See an einem kleineren Feuer und freuen uns an den Tänzen und Gesängen unserer rumänischen Nachbarn in rauschendem Saturday Night Fever. |
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Vor der Staumauer wartet Klaus, der die Talsperre auf dem Lehmweg umfahren hat. |
Mausuleul Valea Mare Cumpulung |
Zur dreizehnten Nacht biegen wir in das Naturschutzgebiet P. Damboviciorei ein, wofür wir einen geringen Obolus entrichten. An einem rauschenden Gebirgsbach formieren wir die Wagen zu einer Burg, in deren geschützten Winkel Klaus ein archaisches Grillritual zelebriert: Das Kilo Pangasius Fisch mussten wir zuvor von etwa einem Pfund Eis befreien. Leider lockt der Gebirgsbach wenig zum erfrischenden Bad, da Plastik sowie Abfälle aller Art das Wasser vermüllt. Doch immerhin erholen wir uns von zwei kleineren Missgeschicken: Klaus hat einen Tramper mitgenommen, der erstens einen Fernseher in den Wagen wuchtete, zweitens total besoffen sich über seinen Tisch lümmelte und drittens so die Halterung vom Küchentisch unter seiner trampelnden Masse zerbrach. Mein Plastikbomber verlor beim Überfahren einer tiefen Furche am Mausoleums-Parkplatz zum zweiten Mal seinen Abwasser-Rüssel wie im winterlichen München. Abends sitzen wir zu viert im Weissen Wal. Zu allem Überfluss schütte ich noch ein Glas Rotwein über meinen Fahrersitz. Die Fleckenflut neutralisert Mima hilfreich sogleich mit Salz. |
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Die Burg in Ban will sich Mima mit mir nicht entgehen lassen. Montags öffnet die Kasse leider erst ab 12.00 Uhr. Also müssen wir warten, bis wir beide für 40 Lei, keine 10 Euro, in das Spukschloss gelangen. Eine lustige, laute Menge wühlt sich Trepp` auf, Trepp` ab durch verschiedene Gemächer. Dunkle Steinstiegen lassen der Fantasie Raum für wohlige Schauer.
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Fröhliche Menschen bevölkern die Burg in Ban, wo einst Grafen Dracul wohl weniger freundlich hauste. |
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Stundenlang fahren wir durch die Weiten und verlassen die Berge hinter Buzau. Der Weg zur Talsperre am Ausgang der Berge war leider versperrt. Die Hitze von 33 Grad strengt an. Meine Frau löst mich am Lenkrad ab. |
Endlich finden wir am Nachmittag unter Bäumen einen verwahrlosten Platz vor Braila. Die Karte hat auch den "Campingplatz" eingetragen. Kalte Duschen in diesem Haus ohne Dach erfrischen uns. |
Wir sind glücklich, dass uns Bäume vor Braila Schatten spenden. Dort nächtigen wir ab etwa 17.00 für wenig Geld. Das verzweigte Donaudelta ist keine 10 Kilometer mehr entfernt. Es kündigt sich mit steigender Hitze und Mücken an. In der sonnendurchglühten Ebene steigt auch die Temperatur im Wagen schnell über 30 Grad. Es kühlt sich aber bis zum am Morgen auf erfrischende 20 Grad ab. Durch drei offene Dachluken sowie drei aufgeklappte Fenster an den Seiten und im Heck, alle mit Mückennetzen geschützt, kommt kühlende Nachtluft in den Wagen. Leider verschlafen Klaus und Gisi die für mich wertvollsten Morgenstunden, deren Frische an einen Sommermorgen daheim erinnert - etwa 2500 Kilometer nord-westlich von hier. Seit der letzten Internet-Verbindung in Michelsberg bei Sibiu sind mir die Nachrichten der Kapital-, Klima-, Umwelt-Krisen weit, weit entrückt. Nur eine Sprecherin von Radio Taiwan verlas heute Nacht deutsche Nachrichten über Kurzwelle. Auch in Taiwan sind die Aktienkurse gefallen. |
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Wie zumeist gegen 10.00 Uhr fahren wir weiter. Die Strecke ist
vergleichsweise kurz von Braila über Tulsea ins Donau-Delta. Zuvor
müssen wir einen Donauarm mit einem Schiff überqueren. In diesem
Weltkulturerbe haben wir wieder einmal einen Camping-Platz mit WiFi.
Morgen haben wir eine dreistündige Bootstour gebucht, welche schon um
6.00 Uhr in der Früh beginnt. Dies kostet für uns vier Personen 160
Euro, was - neben Diesel natürlich - bisher die Reisekasse am meisten
belastet.
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Hinter Tulsea überqueren wir die Donau. Frischer Wind bläst uns um die Nase. Die Sonne hat sich hinter Wolken verzogen, was mir das Leben erleichert. |
Leider verströmen die grunzende Schweine in nächster Nachbarschaft zu unserem lauschigen Camping-Platz ihr Natur-Aroma. Das riecht reichlich streng. Klaus bereitet das Abendessen, worauf wir uns ebenso freuen wie auf eine erfrischende Dusche. |
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Statt vier bis sechs Arbeitsstunden hinter dem Lenkrad
schaukelt uns ein Boot aus Metall mit einem schweren
Honda-Außenbordmotor durch das Weltkultur-Erbe geschützte Donau-Delta.
Die Tour dauert drei Stunden, in denen wir frieren. Auf windgewellten
Wassern spüren wir die Schläge des Boots stärker als die Schlaglöcher
auf den schlechten Straßen. Durchgerüttelt, durchgefroren sind wir nach
der Tour froh, hinter der nächsten Mauer unsere Blase zu entleeren. Die
nächste Attraktion liegt am Weg, wobei 30 km/h bei den Schlaglochpisten
oft schon zu schnell sind. Zwischendurch kommen Bahngleise, vor denen
man besser anhält, um sich seiner freien Fahrt zu versichern. Das Recht
des Stärkeren gilt. Die Natur ist schwach. Also muss sie oftmals als
Müllkippe herhalten. |
Pelikane fliehen vor dem Motorboot, mit dem wir ihre
Ruhe stören. |
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Am Strand des Schwarzen Meeres in Mamaia bei Constanta tummeln sich vergleichbar
wenige Menschen.
Die Nacht endet - wie so viele - wieder einmal um 3.00 Uhr in der Früh. Der Vollmond schiebt sich über stundenlang über den nachtblauen Himmel, aus dem die Sterne mit den Lichtern der Stadt im Wettstreit funkeln. Der Hotelkomplex "arena regia" ragt etwa 30 Meter in die Höhe. Daneben liegt der nächste Zwei-Stern-Camping Platz. Gegenüber trägt aus dem "Club Ibiza" der Wind die aktuellen Disco-Hits über den Platz. Doch auch im Restaurant am Campingplatz, wenige Schritte von unseren Autos entfernt, unterhält der Fernseher einen einzelnen Wächter, wie Menschen die Nacht vor ihren Zelten genießen. Noch nachts haben Menschen aus einem Kleinwagen mit dem rumänischen Kennzeichen "B" keinen halben Meter hinter unserem "Weissen Wal" zwei kleine Zelte aufgebaut. Eine Eisenbahnkarte am Strand zeigte mir, dass Constanta von von Bukarest 225 Kilometer entfernt ist. Die Fahrt kostet 39 Lei, keine 10 Euro. Für etwa 25 Euro haben wir vier gestern abend in dem Restaurant recht gut gegessen, Getränke im Preis inbegriffen. Der Nachtwind frischt ein wenig aus, wodurch sich die Disco-Musik vom Club Ibiza etwa 100 Meter weiter mit den Techno-Klängen des Restaurant-TVs mischt. Das Thema hier wie dort: Männer mit Money und Muskeln werben um lockige Damen. Alles weitere fantasiert sich jeder nach Bedarf. Meine Mimamai kämpft mit einer Mücke, die schon mehrmals sie gestochen habe. Mücken bleiben mir verborgen, dafür weht mir der Wind aus dem Club Ibiza morgenfrischen Techno-Musik herüber. Eins ist sicher: Der fette Mond im August hätte mir auch in München kaum Schlaf gegönnt. |
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